berliner szenen: Dramatische Liebe im Morgenlicht
Es war ein heißer Tag. Ich war mit ein paar Freunden am See. Wir haben gebadet, am Ufer gesessen, die Sonne untergehen und die Sonne wieder aufgehen sehen. Dazwischen haben wir gebadet, gegessen, getrunken oder einfach nur so dagelegen.
Als ich mich mit dem Fahrrad nach Hause aufmache, ist es gegen fünf Uhr. Die Vögel zwitschern, die Straßen sind menschenleer. Nur vereinzelt begegne ich einem Auto, einem Nachtbus oder Taxi. Das Licht ist golden und taucht den Morgen in einen warmen Schimmer. Der Fahrtwind ist weich und angenehm. Es riecht nach Hochsommer.
An einer roten Ampel fällt mir ein junges Pärchen auf. Sie stehen an einer Bushaltestelle und halten sich eng umschlungen. Im goldenen Licht wirken sie wie gemalt.
Der Bus kommt, hält und öffnet die Türen. Das Mädchen löst sich aus der Umarmung, und während sie auf den Bus zugeht, ruft der Junge ihr hinterher: „Steig nicht ein.“ Sie ist schon in der Tür. „Steig nicht ein“, ruft der Junge noch einmal. Es klingt verzweifelt. Er steht da, und als sich die Türen schließen, springt er auf sie zu und hämmert mit beiden Fäusten gegen die Scheibe.
„Vielleicht sehen wir uns nie mehr wieder. Was dann?“, ruft er.
Die Ampel wird grün, der Bus fährt an und der Junge rennt ihm auf der Straße hinterher. Ich sehe fasziniert zu. Irgendwann nimmt der Bus Fahrt auf, und da hört der Junge auf zu rennen. Er dreht sich um und geht langsam und mit hängenden Schultern zurück.
Als ich an ihm vorbeiradele, begegnen sich unsere Blicke und ich denke: Das ist das Romantischste, das ich seit Langem gesehen habe. Aber ich sage es nicht.
Er sieht zu traurig aus, wie er da so allein auf der einsamen Straße läuft.
Und das Licht wird gerade zartrosa. Isobel Markus
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