berliner szenen: Urlaub mit Gemüse
Wie geht’s?“, frage ich letztens meinen Lieblingsgemüsemann.
„Es geht“, sagt er.
„Gehen die Geschäfte?“
„Ja“, sagt er, „alles wie immer, aber zu Hause, die Kinder …“. Er macht ein betrübtes Gesicht.
„Wie alt sind Ihre Kinder?“
„12, 15 und 16, alle Jungs und immer zu Hause. Keine Schule, kein Sport, nichts.“
Er lächelt müde. „Es ist laut. Meine Frau ist gut, sehr gut, aber sie kann nicht mehr. Sie kocht und kocht und streitet sich mit den Kindern. Den ganzen Tag Geschrei, verstehen Sie?“
Ich nicke mitfühlend. „Vielleicht tauschen Sie?“, frage ich. „Ihre Frau steht hier und Sie bleiben zu Hause?“
Er schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „Nein. Ich kann das nicht. Ich habe keine Geduld. Ich schreie, die Kinder schreien, dann klingeln die Nachbarn und noch mehr Nachbarn und alle schreien durcheinander.“
Ich muss lachen.
Er zeigt auf sein Gemüse: „Und meine Frau macht zu teure Preise, sie kennt die Kunden nicht. Ich weiß, wer Geld hat und wer nicht. Sie vertreibt mir alle Kunden.“
Er macht eine Handbewegung wie: Es ist, wie es ist. „Hier schreit keiner und streitet. Ich bin im Urlaub.“
Ich grinse und bezahle meinen Fenchel: „Vielleicht schicken Sie Ihre Kinder dann mal in den Urlaub.“
Er gibt mir wortlos mein Rückgeld, aber in seinen Augen blitzt es kurz.
Eine Woche später stehen zwei junge Männer am Stand. Einer schlaksig und groß, einer kleiner und etwas runder. Beide gucken gelangweilt über ihren Masken. Als ich vorbeigehe, richtet sich der Vater auf, der gerade eine Kiste ausräumt.
Er sieht mich und sagt: „Sehen Sie, sehen Sie.“ Er zeigt auf seine Söhne. Ich nicke und winke, ich habe es eilig.
Er ruft: „Kommen Sie wieder, ich habe sehr guten Fenchel. Wie im Urlaub.“
Isobel Markus
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