berliner szenen: Geschichten aus der Ferne
Während ich schlafe, schreibt sie mir Geschichten, die ich beim Aufwachen lesen werde. Ich werde nach meinem Telefon in der Dunkelheit tasten und mich schon darauf freuen, ihren Namen auf dem Display zu sehen. Dann werde ich wegen der Uhrzeit ihrer Nachrichten erschrecken (3.20 Uhr, 4.45 Uhr), mich aber schnell beruhigen: Sie sagte, sie sei eine Nachteule und es sei nichts Ungewöhnliches für sie, die Nacht durchzumachen.
Früher war es bei mir auch oft so und ich entschuldige mich, dass es gerade nicht geht. Egal wie vertieft in unser Gespräch ich bin, irgendwann fange ich an zu träumen, sogar bevor ich die Augen schließen kann. Nach einer Weile merkt sie, dass keine Antworten von mir kommen, und wechselt zur Notizen-App. Ich stelle mir vor, wie sie im Halbschatten schreibt, vom blauen Licht ihres Handys beleuchtet, und ich höre ihr Atmen und das Schnurren ihrer Katzen, die neben ihr zusammengekauert liegen. Nur selten hinterlassen wir uns Audios, wenn doch, klingt ihre Stimme dabei schläfrig. Sie redet leise, als könnte man daran erkennen, wie weit weg sie ist.
Wenn ich keine ungelesenen Texte mehr habe, muss ich meinen Mut zusammennehmen, um aus dem warmen Bett zu kommen – ich würde am liebsten den Tag so verbringen. Aber es ist hell und ich muss arbeiten. Deshalb schalte ich das Radio an und koche mir eine Kanne Kaffee. Während ich auf das Gluckern und den Geruch warte, beobachte ich die Arbeiter der Baustelle gegenüber, wie sie, bei jedem Wetter, auf dem Dach stehen, die Gerüste hoch- und runterklettern. Ab und zu kommt es vor, dass sie zu mir blicken. Sobald der Kaffee durchgelaufen ist, stelle ich das Radio wieder ab, setze mich hin und schreibe ihr. Während sie schläft, gebe ich ihren Erzählungen ein Ende.
Luciana Ferrando
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