berliner szenen: Wird knapp, aber ich schaff das
Ich steh so im Flur, hab’nen Brief in der Hand, der dringend ankommen muss, nämlich morgen. Wird knapp, denk ich, aber dann denk ich einfach: „Ich schaff das!“, denn das zu denken, hab ich in letzter Zeit öfter gemacht und dann auch immer geschafft, was da eben zu schaffen war. Also denk ich es gleich noch mal, „Ich schaff das!“, und prompt fällt mir der Späti im Kiez ein, der mit Paketannahme. Da werd’ ich den Brief ja wohl los, und wenn ich schon mal dabei bin, das Geschenk für meine Schwester gleich mit. Zeit wär’s: Ihr Geburtstag ist jetzt schon vier Wochen her, das Geschenk angekündigt; wär sicherlich nicht verkehrt, wenn sie’s langsam auch mal erhält.
Nur: Als ich dann im Späti steh’, Geschenkpaket in der Hand, fällt mir ihre Adresse nicht ein. Also, so halb fällt sie mir ein, die Straße, und Hausnummer 1. Oder war’s 2? Oje, denk’ ich, dann aber doch lieber wieder „Ich schaff das!“, und rufe sie an. Sie geht nicht ran. Ich schaff das! Die Postleitzahl kann ich auf dem Handy raussuchen, und als Hausnummer geb ich jetzt einfach mal „1“ an. Wird schon stimmen, denk ich, und so weit weg von 2 ist 1 nun auch nicht. Ich geb’ das Geschenkpäckchen ab.
Nur den Brief werd’ ich nicht los; der würde heut nicht mehr rausgehen, sagt der hinterm Tresen und weist nach draußen, auf den Kasten vor der Tür. „Schau mal, ob der Spätleerung hat.“
Hat er nicht, aber ich schaff das, laufe zum nächsten Kasten, dann auch zum übernächsten, und da endlich steht „Nachtleerung“ drauf. „Geschafft!“, denk ich, schmeiße den Brief ein, geh nach Hause, schlag die Adresse meiner Schwester nach, seh, dass es doch die 2 war, geh noch mal los, zum Späti, fisch das Paket aus dem Stapel, korrigiere, stecke zurück, geh wieder nach Hause, und dann sitz ich da und bin und habe (es) wirklich geschafft. Joey Juschka
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