berliner szenen: Mit Schildkröten im Gepäck
Wir sind nur einige Kilometer gefahren, als der Fahrer anfängt, Bier zu trinken. Es ist unmöglich, ihn davon abzuhalten. Einige der sieben Mitfahrer*innen übernehmen tagsüber seinen Platz am Steuer. Als es dunkel wird, will aber niemand die Verantwortung übernehmen, den Bulli durch die französischen Autobahnen zu fahren. Wir sind per Mitfahrgelegenheit auf dem Weg nach Barcelona und haben noch viele Stunden vor uns. Wir parken an einem F1-Motel, und zusammen mit einem anderen Pärchen und deren Hund schlafen wir im Auto, weil wir uns kein Zimmer leisten können. Als es Tag wird, geht die Autotür auf und eine Hand greift meinen Rucksack. Wir springen auf, rennen der Gestalt hinterher und kriegen sie gerade noch. Es ist mein Geburtstag, 2007 und ich bin vor vier Monaten in Deutschland angekommen.
„Vor tausend Jahren sind wir zusammen nach Barcelona gefahren“ antwortet eine Trainerin von dem Verein, wo ich kickboxe, als ich mich endlich traue, sie zu fragen, woher wir uns kennen. Wir stehen auf der Urbanstraße, nach einem intensiven Trainingstag. „Ich hatte noch schwarze Haare“, sagt sie und dann erkenne ich sie wirklich wieder. „Verrückt“, sagen wir und unterhalten uns über die actionfilmreife Szene im Morgengrauen. „Dann habe ich es nicht geträumt?“, frage ich, und wir lachen. Sie erwähnt, dass der Bullifahrer nicht nur betrunken war, sondern auch eine Box mit Wasserschildkröten transportierte, was ich vergessen hatte, und dass wir Mau-Mau während der Fahrt spielten.
Sie erzählt mir, wie ihre Reise durch Katalonien weiterging und, dass der Hund schon gestorben sei. Dann schweigen wir, und plötzlich werde ich melancholisch, als ich daran denke, wie viel sich seitdem verändert hat, wie glücklich ich doch damals war. Luciana Ferrando
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