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berliner szenenDas hat man in Berlin nicht so oft

Am Haus des Lehrers machen zwei Radfahrer vor einem Baum eine Vollbremsung. Sie sind aufgeregt und zeigen auf einen Punkt in der Luft. Der Punkt bewegt sich, und die Finger folgen ihm. Kleine, in sich verdrehte Kreise. Andere Radfahrer bleiben stehen und mit ihnen die ersten Fußgänger. „Krass. Guck dir das an!“ – „Irre. So süß.“ Von hinten ruft einer. „Was geht bei euch?“ – „Komm vor! Hier ist ein Schmetterling!“

Da ist tatsächlich ein kleiner weißer Schmetterling mit einem schwarzen Punkt auf jeder Seite. Er wirbelt durch die Luft und suhlt sich in der Sonne. Es beginnt eine Fachdiskussion. „Es ist ein großer Flügel-Weißfalter.“ – „Quatsch, Weißfalter. Dit is ’n Kohlweißling. Gab’s früher in Millionen. Heute ex­trem selten.“ – „Und wenn es was Asiatisches ist? Is es dann nicht gefährlich? So wie die chinesischen Marienkäfer?“ – „Egal. Es ist ein lebendes Insekt. Das hat man in Berlin nicht so oft.“

Eine junge Frau mit Rasierklingenpony ist nachdenklich. „Da haste recht! Ich hab noch nie einen Schmetterling hier gesehen. Und ich bin schon seit Oktober in Neukölln!“ Der Schmetterling zieht weiter seine Bahnen, immer näher an den Baum heran. Eine ältere Frau pflichtet jetzt der Studentin bei. „Dit gibt echt keene Schmetterlinge mehr in Berlin. Ick glob, dit is das Ende von die Natur, wat da vor uns fliegt.“

Jetzt sind alle ergriffen und schweigen. Ein Mann mit langen Haaren und Kinderkasten am Fahrrad macht einen Vorschlag. „Wir sollten dem Schmetterling einen Namen geben!“ –„Sollen wir sie plakativ Greta nennen?“ Alle schütteln den Kopf. Die Studentin raunt leise. „Es ist wie Björk. So weiß. Ich nenne sie Björk.“ – „Nein. Ich nenn ihn Butterfly Dodo. Der letzte seiner Art.“

Der kleine weiße Schmetterling fliegt weg. Die Menschen schauen ihm ratlos hinterher. Theresa Heinewald

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