berliner szenen: Er überreicht eine Rose
Der Nebentisch feiert Geburtstag, einen fünfundsiebzigsten, der Jubilar erzählt – leise, wohlgesetzt – wie sie kürzlich im Tierheim in Eberswalde waren, um sich einen Hund zu holen – „einen älteren, man weiß ja nie“, oder weiß eben doch. Aber in Eberswalde gab’s nur Katzen, also sind sie weitergefahren, um sich am Ende einen Shih Tzu zu holen. Der Hund hat schon seinen Frühjahrsschnitt bekommen, einen sauberen Bubikopf.
Einen Tisch weiter sitzt ein mittelalter Mann allein vor seinem Glas Rosé, oder vielmehr: versucht zu sitzen. Es gelingt ihm nicht gut, er lehnt sich nach links, stützt sich rechts auf, fährt sich über die gewienerte Glatze. Ein Rosenverkäufer kommt vorbei, der fahrige Gast kauft eine Rose, streicht sich den Pullunder glatt und überreicht sie formvollendet, mit den besten Glückwünschen dem Jubiliar, selbst eine kleine Verbeugung deutet er an. Dann erzählt er kurz, dass er selbst eine Katze habe, sie hieße Charlie, nach Charlie Chaplin, er selbst sei ja auch ein Clown, er sagt es berlinerisch, Kloon, von Geburt an, er heiße nämlich mit Nachnamen Lampe und geboren sei er, nun ja, an einem Ostersonntag. Der Tisch lacht, freundlich, ja, sagt er, schon seine Geburt sei eine super Pointe gewesen und lächelt selig.
Das war der schöne Teil der Geschichte. Die nächste Stunde wird er damit verbringen, sich in das Gespräch zu drängen, jeder zweite Satz wird den Keim einer Tragödie in sich bergen. „Meine Frau oder vielmehr Lebensgefährtin oder sagen wir Bekannte“, wird er sagen oder dass, wenn er essen geht, er ausschließlich deutsche Lokale aufsucht. Viermal wird er die Kellnerin daran erinnern, endlich Wasser zu bringen, für die Rose. Und am Ende wird der Geburtstagstisch, statt noch ein Bier zu trinken, aufstehen und gehen – bezahlen werden sie am Tresen, damit es schneller geht. Frédéric Valin
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