berliner szenen: Ohne Hemmung Groupie sein
Leid tut sie mir ja schon, die Moderatorin, wie sie da steht und überjubelt wird. Sie kündigt den nächsten Act an, will ’ne Geschichte dazu erzählen wie zu den vorigen Dragqueens und -kings. Aber wir wollen keine Geschichte zum Act, wir wollen den Act selbst, und zwar jetzt, sofort – also Moderatorin ab!
Sie tut mir wirklich leid, aber noch viel mehr leid tut es mir jetzt, dass das mit dem BH schon wieder nicht klappt.
Jedes Mal, wenn die Kingz of Berlin irgendwo auftreten, will ich ihnen einen BH auf die Bühne werfen; ein ganz starker Drang ist das. Nur dazu müsste ich den BH erst mal haben, und BHs hab ich nicht. Ich müsste mir vor der Show einen kaufen, nur hab ich da immer nur im Kopf: „Heute Abend! Die Kingz! Oh ja!“, und für Gedanken an Dessous-Käufe ist einfach kein Platz.
Ich bin mir sicher: Nicht nur ich will BHs werfen jetzt. Dass dann doch keine BHs durch die Luft fliegen, liegt daran, dass kaum eine einen trägt; manchmal stimmt das Klischee. Im Publikum sind ganz viele Lesben, die eine andere Lesbe feiern, die grad ’nen Preis verliehen bekommen hat: den Preis für lesbische Sichtbarkeit. Namen nenn ich ja sonst nie, aber jetzt muss das doch mal sein, denn dann gibt’s gleich noch mehr lesbische Sichtbarkeit, also bitte sehr: Sigrid Grajek.
Wir feiern Sigrid, mit Dragkings und -queens auf der Bühne, und eigentlich schreib ich auch nie in Wir-Form darüber, was so passiert in Berlin. Aber ein „Wir“ ist es eindeutig, wie wir da so kreischen, vor der Bühne auf und ab springen, hemmungslos Groupies sind. Und das ist echt prima, weil ich war schon traurig, dass die CSD-Saison vorbei ist und kaum noch sichtbare Lesben in Berlin unterwegs – aber hier sind sie jetzt alle. Wir feiern. Lesben und Queens und Kings und Trans* und alle miteinander, und das ist das Beste daran. Joey Juschka
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