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berliner szenenDit ist geknackt, Alta!

Früher hatte ich kühne Träume. Von einem neuen schönen Fahrrad und davon, irgendwann mit den Kindern in einen ruhigen Außenbezirk zu ziehen, wo Räder nicht geklaut werden. Aber wir kamen nicht weg aus Kreuzberg (ein mentales Problem). Aus meinem Hinterhof verschwinden die Fahrräder im Monatsabstand. Nur mein in Ehren verrostetes Peugeot-Modell bleibt immer stehen. Es ist über zwanzig Jahre alt, und alle, die was von der Sache verstehen, sagen seit Jahren, dass das Tretlager eigentlich hinüber ist. Aber noch läuft’s, sage ich dann.

Die Tage stehen mein Fahrrad und ich bei der Kottbusser Brücke an einer Ampel. Neben uns ein Menschenknäuel. Ich ignoriere es; in Kreuzberg knäulen sich jetzt immer die Menschen. Dann höre ich aus der Gruppe heraus eine Männerstimme sagen: „Dein Fahrrad, ja? Haste ’n Schloss?“ Ich werfe einen Blick seitwärts und sehe etwas aufblitzen. Das Knäuel besteht aus drei Männern. Zwei davon kräftige Kerle im Freizeitlook; der dritte ein kleiner, schmächtiger Typ mit dunklen Locken und einem Gesichtsausdruck, der zwischen gut eingeübter Arglosigkeit und nackter Angst changiert. „Dit ist geknackt, Alta!“, höre ich den zweiten Kräftigen sagen und sehe, wie sich eine Handschelle um das dünne Handgelenk des Schmächtigen schließt. Klick macht es; für eine Nano­sekunde überkommt mich das seltsame Gefühl, Statistin in einem Fernsehkrimi zu sein.

Mein Fahrrad und ich kriegen Grün und verlassen den Schauplatz. Deine Freunde und Helfer, denke ich, wer hätte das gedacht. Und natürlich ist es irrational, aber den Rest des Tages verbringe ich damit, mir auszumalen, welche Farbe mein neues Fahrrad haben könnte. Und vielleicht sogar mal – einen Ledersattel? Einfach, weil es Spaß macht, mal wieder von was ganz Verrücktem zu träumen. Katharina Granzin

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