berliner szenen: Obwohl es um meinen Kopf geht
Ich blinzle ins grelle Deckenlicht. Mein Hals hängt steif im Waschbecken, über meine Ohren rinnt heißes Wasser. „Ich mach noch eine tolle Spülung rein, kostet ein Euro extra“, höre ich meine Friseurin sagen. Bevor ich „Nein danke, nicht nötig“ äußern kann, spüre ich die klebrige Masse auf der Kopfhaut.
Ein Friseurbesuch ist eine gute Übung, denke ich. In der halben Stunde beim Friseur verliere ich immer jegliche Entscheidungsgewalt. Obwohl es um meinen Kopf geht. Dieser wird jetzt unangenehm stark massiert, hin und her geruckelt, abrupt angehoben. Mein Nacken beschwert sich, doch die Klage erreicht nicht meinen Mund: „Ist schön so,’ne“, sagt die Stimme hinter mir. In der Intonation höre ich keine Frage, ich schweige. „Ich mach noch bisschen heißer, hab heute so kalte Finger“, sagt sie. Bitte, meinetwegen.
Mir vor dem Besuch im Friseursalon zu überlegen, wie meine Haare optimiert werden könnten, ist ebenfalls sinnlos. Meine Vorschläge werden selten akzeptiert, meist höre ich wie heute: „Nein. Das machen wir ganz anders. Zeig ich Ihnen gleich.“ Mit der Schere bereits in der Hand, versteht sich. Aber gut. Da ist jemand vom Fach und richtig schiefgegangen ist es selten. Die Prozedur des Schneidens läuft so ab: „Kopf hoch, jetzt runter, nein, nur leicht beugen. Jetzt bitte zu mir – Rücken gerade.“ Irgendwann gibt meine Friseurin die Kommentare gänzlich auf, und ich bekomme alle paar Sekunden eine Hand unters Kinn, in den Nacken, an die Wange.
Ich entspanne mich. Hat man das mit der Kontrollabgabe erst mal verinnerlicht, ist es irgendwie schön. Was in den nächsten Minuten passiert, liegt nicht in meiner Verantwortung. „So, fertig. Föhnen können Sie da drüben“, höre ich. Ich hab mich doch gerade erst fallen lassen. Wie kann sie mir das Föhnen allein zumuten?
Linda Gerner
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