berliner szenen: Verschlagen
BVG-News
Jemand sollte eine Untersuchung oder gleich einen Roman oder doch lieber eine Untersuchung über das Innenleben eines U-Bahn-Zugführers machen. Meistens strömen sie ja ein ordinäres Gelangweiltsein aus, wenn man sie durch die Frontscheibe sieht. Manchmal reiten sie aber auch mit geradezu königlicher Grandezza in den Bahnsteig ein. Und dabei, dies als erster Hinweis zur Untersuchung, sehen die Damen und Herren Zugführer je später desto würdevoller aus. Sie wissen natürlich, dass sie gegen Betriebsschluss gelegentlich sehnsüchtig erwartet werden.
Tagsüber gehorcht das U-Bahn-Benutzen ja eher geschäftsmäßigen Prinzipien. Nach nächtlichem 20-minütigem Warten kann man für den herannahenden U-Bahn-Führer aber geradezu Gefühle der Dankbarkeit entwickeln. Und die spüren so was. Gebraucht werden: ein schönes Gefühl.
Noch ganz anders gucken die U-Bahn-Führer der U 6 in Richtung Alt-Tegel, sobald sie sich dem U-Bahnhof Mehringdamm nähern. Sie gucken verschlagen. Mit gutem Grund. Hier sind die Linien so vertaktet, dass man aus der U 7 Richtung Rudow kommend die U 6 Richtung Alt-Tegel zum Umsteigen fast erreichen kann. Aber eben nur fast. Sobald man auf der letzten Stufe der Treppe davor steht, fährt die U-Bahn los. Man sieht nur noch den U-Bahn-Führer leise schmunzeln.
So zumindest der Stand bis vorgestern. An diesem Tag habe ich mir vorgenommen, mal eine kleine Szene aus der Vertaktung zu machen. Nur: Genau seit diesem Entschluss erreiche ich die U-Bahn doch. Zwar knapp. Aber ich erreiche sie. Und wissen Sie was: Seitdem gucken die U-Bahn-Führer, scheint mir, noch verschlagener. Seltsame Welt des Personennahverkehrs. drk
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