berliner szenen: Fit mit Katarina Witt
Muckies on Ice
Nein, sie wolle nicht Sport „auf Teufel komm raus“ propagieren. Spaß soll es machen, „das ist das Wichtigste“. Katarina Witt sitzt im Foyer des „Kulturkaufhauses Dussmann“ an der Friedrichstraße, auf einem Podest, die Kameras blitzen. Ihren Nebenmann, den Ullstein-Verlagsleiter Lothar Menne, kneift sie in den Wohlstandsbauch, als der sagt, dass jemand wie er wohl nicht der Richtige sei, um ein Fitness-Buch zu präsentieren. Man glaubt ihm gern. Und ihr auch, wie sie so proper modisch im golddurchwirkten Trikot dasitzt und ihr hübsches, braun gebranntes Gesicht in offener Einfachheit erstrahlen lässt.
An dem verregneten Dienstagnachmittag signiert die Sportskanone aus Karl-Marx-Stadt ihr erstes Buch. „Mit Leichtigkeit in Form“ heißt es. Warum sie immer gute Laune habe, wird sie gefragt. „Nun, im Buch steht meine Antwort: weil ich einen Job habe, der mich ausfüllt, und weil ich Sport mache.“ Eine Kollegin vom Berliner Kurier möchte wissen, ob ihr Buch nur für schlanke Menschen bestimmt sei oder auch für „andere“. Witt reagiert profimäßig, verkaufsfördernd: „Das ist für ganz normale Leute. Ich frage mich auch immer, wieso man so aussehen sollte wie ein Model, runtergehungert.“ Und dann bekennt die Expertin: „Ich habe auch Stellen an meinem Körper, die könnten weniger sein. Aber ich steh’ dazu, ich fühl’ mich wohl.“
Sie ist so sonnig, man käme nicht auf die Idee, Katarina Witt der PR-Taktik zu überführen. Ihr Buch allerdings ist eher etwas für Fans: Ein orangefarbenes Hardcover-Ungetüm im B5-Format, mit Überschriften wie „Muckies machen Spaß“ für das Kraftsport-Kapitel. Dort erfährt der Leser, dass auch Kati zweimal pro Woche in das Studio geht, zu „Gold’ Gym“, dem Bodybuilder-Olymp in Venice. Früher, in ihrem Leben als „Leistungssportlerin“, musste sie sechs, sieben Stunden trainieren, täglich. Vor der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag sei sie auch gejoggt, „an der Spree entlang“. Dreißig, vierzig Minuten, mehr nicht. Die zweifache Olympiasiegerin ist das Mädchen von nebenan, das beim „Müllrausbringen und im Fahrstuhl immer ganz nett war und bescheiden“, wie ein ehemaliger Nachbar vom Gendarmenmarkt raunt.
Der Mittfünfziger zieht zwei DDR-Sportbände aus seinem roten Dussmann-Leinenbeutel. Kati kompakt, einmal zur Olympiade in Sarajevo, 1984, einmal in Calgary, 1988. Ja, sie war gut und schön. Der Trainerdrachen Jutta Müller ist auch mit auf einem Siegerfoto. Kati in den Achtzigern, der Stolz der kleinen DDR. Die Leute, die zur Signierstunde in die Friedrichstraße gekommen sind, stellen sich in Zweierreihe an, sonst lässt der Sicherheitsmann sie nicht passieren. Sie denken nicht an Rebellion, sondern an vergangene Glorie. Eine ältere Dame sagt zu Kati, das hätte sie gut gemacht, und sie solle sich nicht unterkriegen lassen. Wenig später steht sie vor einer Fernsehkamera und erzählt vom Sportlerparadies DDR. Die blonde Redakteurin schaut kurz mitfühlend auf die kleine Frau herab, dann gleitet ihr Blick notorisch umher, sucht interessante Details, die noch ins Bild gebracht werden müssen.
JANA SITTNICK
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