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berliner szenenSex-Talk im Kaffee Burger

Ficken 2001

Man könne nicht auf einen Knopf drücken, meint Rigoletti. Bei jeder Frau sei das anders mit der Empfindung – Orgasmus gibt es eben nicht auf Bestellung. Warum müsse man auch immer einen haben? Rigoletti, die Abgesandte der „Landessexklinik“, spricht von „sportlichem Ehrgeiz“ und der Qual, immer alles „bringen zu müssen“ im Bett. Man könnte den Sexualpartner – „und dabei spreche ich nicht unbedingt von Liebe“ – als Ganzes wahrnehmen. Gemeinsam mit der Australierin Carrie Hampel und dem Mediziner Jakob Hein nahm die Medienkünstlerin an einer Gesprächsrunde teil, die den „Orgasmus der Frau“ auszuloten bereit war. Und das im „Kaffee Burger“, einem Ort, der auf der Sexappeal-Seite eher wenig zu bieten hat, wenn man nicht gerade Velourtapetenfetischistin ist. Oder auf Bier trinkende Langhaarzottel steht. Doch Falko Hennig moderierte, wie an jedem Mittwochabend, sein „Radio Hochsee“, und wollte es diesmal wissen.

Nach der Pause fragt er, was es denn nun für „handfeste Tricks und Kniffe“ gebe, um der Frau einen Orgasmus zu bescheren. Die Damen weichen aus, und auch der Mediziner meint, man könne da nichts festmachen, sondern mit dem Partner „über alles reden“. Dann wird es wissenschaftlich. Man verhandelt „koitale Ausrichtungstechniken“, die beeinflussen können, ob Frauen einen klitoralen oder einen vaginalen Orgasmus bekommen. Jakob Hein erläutert, dass der mysteriöse G-Punkt, benannt nach Professor Grafenberg, eher eine G-Fläche sei und sich an der oberen inneren Seite der Vagina befände, „bauchseitig“. Carrie Hampel skizziert zum besseren Verständnis die Situation im Querschnitt. Hein und Hampel sind sich darin einig, dass die Bearbeitung der vaginalen „G-Fläche“ durch den Penis effektiver ist, wenn man es „von hinten“ macht. In der Missionarsstellung sei der Stoßwinkel zu flach, das würde nicht viel bringen. Einige der anwesenden Frauen, die die sonst miserable Quote im „Kaffee Burger“ diesen Mittwoch freudig in die Höhe treiben, nicken heftig.

Später zeigt Rigoletti einen Videobeitrag, der mit dem Inneren weiblicher Geschlechtsorgane zu tun haben soll. Man sieht grünes Flimmern, von schwarzen Linien unterbrochen, dazu fiepende Geräusche. Rückkopplung sei das, piepst die Medienkünstlerin ins übersteuerte Mikrofon. In der kurzen Gesprächspause legt Doc Schoko Musik ein, die er für orgasmustauglich hält, oder für themenverwandt. Es ist aber nur blödes Country-Gejodele vom Band, und man denkt an The Smiths, die vor vielen Jahren „Hang the Dj“ sangen. Ein Mann aus dem Publikum meldet sich und meint, er verstehe das alles nicht, mit klitoral und vaginal. Hampel guckt ihn mitfühlend an und erzählt von vaginalen Muskelkontraktionen, die beim Orgasmus einsetzen und die Spermien tief in die Frau hineinziehen, den Mann sozusagen „abmelken“. Der aus dem Publikum guckt noch irritierter. Dann spielt Doc Schoko „Je t'aime“ und macht alles wieder gut. Zu einem „guten Fick“, meint Hampel am Schluss versöhnlich, gehöre nicht zwangsläufig Liebe. Es ist warm im Lokal, aber nicht sexy. JANA SITTNICK

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