berliner szenen: Schöner U-Bahn-Fahren
Das Wochenticket
Ich fühle mich unwohl in der U-Bahn. Lieber fahre ich für 10 Euro Taxi als für 2,10 Euro U-Bahn. Bei so viel schlechtem Wetter wie grade wird das aber teuer. Also doch wieder BVG.
Damit das nicht doppelt Unbehagen verursacht, habe ich mir einen prima Schwarzfahrtrick von einem Freund abgeguckt: die Karte so stempeln, dass man nur Woche, aber nicht Tag und Uhrzeit erkennen kann. Und dann die ganze Woche mit einem Ticket fahren. Der Freund erzählte, dass die Kontrolleure, mit denen er bisher zu tun hatte, die Karte zwar handschriftlich entwerteten, er aber nie Strafe zahlen musste. Klingt gut, dachte ich. Kam aber noch viel besser. Jedes Mal, wenn ein Kontrolleur bislang mein Ticket sehen wollte, spielte sich die gleiche Szene ab. Ich reiche ihm meine Karte und versuche möglichst unschuldig zu gucken. Er schaut sich die Karte an – länger als die Karten der anderen Fahrgäste – und kriegt dabei einen ganz komischen Gesichtsausdruck. Nach längerem Schweigen gibt er mir meine Karte kommentarlos zurück. Kurz streifen sich unsere Blicke. Ich nicke, er nickt, beide irgendwie erleichtert, dass die Situation gemeistert ist. Keine Diskussion darüber, wie diese Fehlstempelung zustande gekommen ist. Und ich kann meine Karte immer noch den Rest der Woche benutzen.
Verstehen tu ich das alles aber trotzdem nicht. Warum verhalten sich diese Kontrolleure so solidarisch-kooperativ? Wo es doch sonst beim Schwarzfahren eher sinnlos ist, sich rauszureden. Warum will sich keiner der Kontrolleure eine Prämie verdienen? Manchmal kommunizieren die Menschen da draußen in Codes, die man nicht versteht. Aber eigentlich ist es ja auch egal. Hauptsache, es passt.
STEPHANIE GRIMM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen