berliner szenen: Im lauschigen Grunewald
Berliner Idyllen
Gegen Nachrüstung, Atomstrom und Waldsterben war ich schon immer, ist doch klar. Aber gegen die globale Erderwärmung? Da bin ich ja mittlerweile geteilter Meinung. Denn dank der beginnenden Klimakatastrophe war es im Grunewald nun auch im Februar recht lauschig.
Zwischen den blattlosen Zweigen leuchteten die Kuppeln der ehemaligen Abhöranlagen auf dem Teufelsberg im Schein der Wintersonne wie das Dach einer russisch-orthodoxen Kirche. Fast wie in einem Roman von Tolstoi. Zwischen Revierförsterei, Saubucht und Havelchaussee war es auch nicht ganz so einsam, wie man sich’s zwischen Petropawlowsk und Archangelsk vorstellt. Der omnipräsente Lärm der Avus dröhnte fast so laut, als wären statt Nistkästen Dolby-Surround-Boxen an den Baumstämmen festgenagelt. Kinderwagen trudelten mit plärrenden Fahrgästen über Baumwurzeln. Und grimmige Mountainbiker preschten vorbei, deren Gummireifen wie anfliegende Artilleriegeschosse sirrten.
Doch abgesehen davon konnte man mücken- und pollenfreie Waldesluft inhalieren. Wer zudem noch ein paar Euros in der Tasche hatte, konnte im Schatten des Grunewald-Turms zünftig einkehren. Während die späte Nachmittagssonne irgendwo hinter Gatow in den Boden versank, konnte man entspannt den belanglosen Tischgesprächen der Kaffeegäste zuhören. Meistens drehte es sich um olympischen Abfahrtslauf. Nur nicht bei den beiden russischen Frührentnern am Nachbartisch. Die diskutierten über die Rendite-Chancen von Mammut-Elfenbein aus dem nordwestsibirischen Tiefland: „Der Treibhauseffekt taut die Permafrostböden auf, Aljoscha. Wenn du investieren willst, musst du dich jetzt entscheiden!“
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