: berliner szenen Motorradunfall
Diskuswerfen
Freitagabend. Ein Junge und ein Mädchen wollen essen gehen. Sie wollen nach Schöneberg, zum tollen Thai. Vor einer Kreuzung in Mitte rast der Junge mit seinem Motorrad und dem Mädchen hintendrauf in ein plötzlich quer auf der Fahrbahn stehendes Taxi. Das Mädchen schaut kurz vor dem Aufprall über seine Schulter, sieht die Beifahrertür, denkt, oh Scheiße, hört den Knall und fliegt wie ein Diskus über den Jungen und das Auto durch die Luft – der Junge und das Motorrad hinterher.
Als das Mädchen auf dem Asphalt liegt, blickt es in erschrockene Gesichter. Die rechte Hüfte schmerzt. Die Zähne, denkt das Mädchen ängstlich, und fährt mit der Zunge über die obere Zahnreihe. Da ist alles in Ordnung. Dann kommt ein fremdes blondes Männergesicht ganz nah an sie heran und sagt, es heiße Hendrik und sei Sanitäter, und zufällig unterwegs, und wolle ihr helfen. Mit Hendriks Hilfe setzt sich das Mädchen auf, schaut in die Runde, zwinkert dem Jungen zu, der schon steht. Das Motorrad liegt zertrümmert auf dem Asphalt. Später fragt der Wachtmeister den Jungen nach den Papieren. Der hat keine dabei. Der Wachtmeister sagt ihm, dass das so ja wohl nicht in Ordnung sei, ob der Junge das wisse. Der Junge nickt.
Im Krankenhaus taumelt das verletzte Paar in die falsche Richtung, zur traumatologischen Abteilung. Da fühlt sich niemand zuständig. Auf die Frage des Mädchens, was das hier für eine Veranstaltung sei, sagt ein junger Arzt, dass „Trauma“ aus dem Griechischen komme. Das Mädchen aber möchte keine Etymologie, es möchte nackte Gewalt, dem Arzt eins in die Fresse geben und das Knie in seine Eier rammen. Doch dazu kommt es nicht. Das Mädchen kann sich nicht so gut bewegen. JANA SITTNICK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen