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Archiv-Artikel

berliner szenen Berliner auf Reisen

Mürrischer Export

Das hier ist eine Art Starbucks auf Russisch: KOFE-CHAUS steht im runden, dem amerikanischen Vorbild nachempfundenen Logo, darauf eine einladend dampfende Kaffeetasse. Aber wir wollen gar nichts zu Trinken, auch keine trockenen Törtchen, die an der Theke unter Glas liegen. Wir wollen in den neuen, angesagten Club, von dem wir schon in Deutschland gelesen hatten. Wir sind in Sankt Petersburg, Russland. Draußen geht Regen nieder und füllt die Schlaglöcher auf dem Bolschoi-Prospekt knöchelhoch mit Wasser. Der Club soll D.K. Berlin heißen – D.K. für Dom Kultury, Haus der Kultur. Ein Freund in Berlin hatte mich darauf hingewiesen: Die örtliche Studentenszene habe Deutschland entdeckt. Aber ohne Lederhosen, sondern mit Beck's Bier und Sechzigerjahre-Sofas, Musik von 2raumwohnung und Wir sind Helden. Der Trash-Chic, der in Berlin vor kurzem jede zweite Kneipe ordinär verplüscht hatte. Also Russen, die Berlin imitieren? Das klang interessant.

Wir sehen uns um. Neben einer Treppe hängt ein Transparent. Tatsächlich: D.K. Berlin steht in konstruktivistischen Lettern darauf. Aber eine Kette versperrt den Aufgang. Neben ihr sitzt ein düster blickender Russe im dunklen Anzug auf einem Plastikstuhl. Ihm scheint keine Aufgabe zugewiesen zu sein, trotzdem muss er zum Personal gehören. Das ist nur eine Vermutung, aber ihr folgend trete ich an ihn heran: Ob der Club geschlossen sei. Ja. Warum? Er sei geschlossen. Gut, aber wann mache er wieder auf? Niemals. Niemals? Ja.

Wir gehen weiter, trinken irgendwo wässrigen Cappuccino und starren auf den Regen draußen. Schade, denken wir. Berlin hätte sich hier zu Hause gefühlt: unter mürrischen Menschen in feuchtem Klima. HANNES BAJOHR