: berliner szenen 50 Cent trifft 39.90
Dead Or Alive
Welch seltsamer Zufall: Moses Pelham, HipHop-Produzent aus Rödelheim, steht im Pelham, Berlins „exklusivstem Club“. Er grinst vergnügt – wahrscheinlich, weil ihm der Club nicht gehört. Die Gäste des Hotel Ramada, ein paar Stockwerke weiter oben, haben sich über das Wummern der Bassboxen beschwert. Der große Floor muss nun geschlossen bleiben, das Publikum quetscht sich in die Bar, die Musik spielt jetzt in einem kleinen Nebenraum. Dort lehnt Pelham am dunkelbraunen Plastikfurnier und beobachtet den ehemaligen Universal-Chef Tim Renner beim hemmungslosen Knutschen mit einer PR-Dame. Szeneschönheiten liquidieren in Rekordtempo teure Alkoholika, viele von ihnen tragen ein Buch bei sich. „Windows on the World“ steht auf dem Cover. Vor dem DJ-Pult herrscht Gedränge: Frédéric Beigbeder, Autor des Bestsellers, einem Versuch, das „Unbeschreibliche“ des 11. Septembers zu beschreiben, gibt im Pelham sein Debüt als DJ. Er trägt seine Hornbrille, Modell „Yves Saint Laurent“, und ein T-Shirt mit dem Aufdruck „American Psycho“. Er spielt 50 Cents „P.I.M.P.“. Ein Pärchen hält ihm sein Buch vor die Nase. Beigbeder scratcht damit ein bisschen auf der 50-Cent-Platte herum und malt dann zwei Türme hinein, einen mit Antenne auf dem Dach. Darunter schreibt er: „I give you one tower each. With love, Frédéric Beigbeder“. Zehn Seiten weiter erkennt sein Protagonist im Luxusrestaurant „Windows on the World“: „In zwei Stunden werde ich tot sein, aber vielleicht bin ich auch schon tot.“ – Ein paar Stockwerke unter ihm ist gerade die erste American-Airlines-Maschine eingeschlagen. Beigbeder reicht das Buch übers Mischpult und grinst schief. Zeit für die nächste Platte: Dead Or Alive. Welch seltsamer Zufall. JAN KEDVES