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berliner ökonomieWarum After Work Clubs in Berlin nicht funktionieren

Genug Dosenbier

Über After Work Clubs sind allerlei Gerüchte im Umlauf. Manche Leute behaupten, ihr Ursprungsland seien die USA, andere, dass sie aus Hamburg kämen, und zuweilen hört man, sie seien nur entwickelt worden, damit Leute, die ihren Eltern schon nicht erklären können, womit sie ihr Geld verdienen, wenigstens sagen können, wo sie es ausgeben. After Work Clubs waren schon in den „Tagesthemen“, und es handelt sich dabei um Partys, die nicht erst um Mitternacht, sondern gleich nach der Arbeit beginnen – damit es nicht immer so spät wird.

So läuft es aber nicht, zumindest nicht in Berlin. Zwar gibt es hier eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die sich des Labels After Work Club bedienen, doch keine einzige funktioniert so, wie sie funktionieren sollte. Nicht mal am Potsdamer Platz. Dabei sind die Voraussetzungen dort eigentlich ideal. Dort hat sich eine Angestelltenkultur etabliert, die in keiner Szene verwurzelt ist, aber trotzdem mit Zeichen von Modernität spielen möchte. Es gibt geregelte Arbeitszeiten, und es gibt das Caroshi, das so abgelegen ist, dass es keiner der Touristen findet. Doch so wie der umliegende Stadtteil eine Simulation von Urbanität ist, die materielle Realität nur gewinnt, weil alle, die sich hier bewegen, sie auch dafür halten, ist der After Work Club im Caroshi die Simulation einer Party.

Es fehlen nur die, die mitmachen. Die Tanzfläche ist leer, der Raum vor der Cocktailbar ist leer, einsam blinkt eine Lichtorgel, und obwohl der Raum eigentlich ganz hübsch ist, wenn auch ungünstig aufgeteilt – das Zentrum des Clubs ist eine riesige Säule, in der die Klos sind –, geht hier gar nichts. Eine einsame Parfümerieverkäuferin trinkt Diät-Mineralwasser, und an der Bar sitzen zwei Checkermänner im Anzug und reden über Sponsorenverträge. Wahrscheinlich ist die ganze Gegend schon Event genug, sodass niemand wirklich das Bedürfnis verspürt, sich auch noch in seiner Freizeit als Teil eines Subevents zu inszenieren.

In den Hackeschen Höfen sieht es ähnlich traurig aus, auch wenn das Problem hier gegenteilig gelagert ist. Jede und jeder, die/der hier arbeitet, kann gar nicht genug davon bekommen, den lieben langen Tag als Event durch die Gegend zu laufen. Jede und jeder, die/der hier als Publikum in Frage käme, würde sich sofort für die Verfilmung einer After-Work-Club-Party casten lassen. „Ach, das war für so eine bescheuerte westdeutsche Produktionsfirma, aber war okay, hab’ den und den getroffen, der war auch gecastet, und danach sind wir da und da hin und haben die Gage versoffen.“ Doch gerade weil das so ist, sind so einfach gestrickte Veranstaltungen wie ein After Work Club von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn Distinktionsgewinne lassen sich damit keine einstreichen: Die Simulation würde funktionieren, nur in Echtzeit tut sich so was kein Mensch an. So sitzen nach Feierabend im Oxymoron in den Hackeschen Höfen nur Touristen rum, und die wollen auch nicht tanzen, sondern nur was essen. Und selbst bei ihnen ist nicht sicher, ob sie sich nun in einem After Work Club wähnen oder einfach nur in einem Restaurant.

Etwas weiter nördlich verläuft die Kastanienallee. Wegen der dreieinhalb Internetfirmen, die sich hier niedergelassen haben, hatten sich Hipster schon den Spaß erlaubt, diese Straße in Silicon Alley umzubenennen. Der Vorschlag konnte sich allerdings nicht durchsetzen, und am Rande der Kastanienallee findet sich im Weinbergspark die dritte Berliner Modelllösung für einen After Work Club: Im Pavillon des Parks findet man den After Work Club, der nicht funktioniert, weil er kein After Work Club ist. Er findet auch an Feiertagen statt und ist nur ein Vorwand, in aller Ruhe grillen zu können. Alle sind willkommen, die ihre Kinder mitbringen.

Der Weinbergspark selbst dagegen ist tagein, tagaus voller Punks und ihrer Hunde. Die Punks kommen meist aus Polen und ruhen sich von ihrem Saisonarbeiterjob auf der nahe gelegenen Kreuzung aus, wo sie Autos die Fensterscheiben putzen. Hier ist den ganzen Sommer über Jenseits-von-Arbeit-Club, und alle sind willkommen, die genug Bierdosen mitbringen. Das ist Berlin. Genau wie beim kinderfreundlichen Grillfest im Pavillon braucht hier keiner einen Vorwand, um sich die Kante zu geben. Hier muss man sich entschuldigen, wenn man es nicht tut.

TOBIAS RAPP

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