berlin buch boom: Einmal durch Berlin in 40 Minuten: Eine Hörreise
Wurst ohne Darm
Buchverlage klagen bekanntlich seit geraumer Zeit über schwindende Umsätze und sinkende Auflagen. Der Buchhandel aber kann sich immerhin über eine in den letzten Jahren bestens gedeihende Sparte freuen: die so genannten Hörbücher. Da liegt es nahe, dass sich die Menschen nicht nur Harry Potter und John Irving vorlesen lassen wollen, sondern zum Beispiel auch Reiseführer.
Die Idee entwickelt und umgesetzt haben der Berliner Reinhard Kober und der Münsteraner Dr. Matthias Morgenroth. Als Hörfunkautoren haben sie über Jahre Erfahrungen gesammelt, die sie nun auf ihrem Label „geophon“ auf eigene Weise umsetzen. „Audioguides. Urlaub im Ohr.“ nennen sie ihre CDs. Acht Produktionen sind bereits erschienen – unter anderem über Paris, London, New York, Kreta und den Nil.
Ihre Audioguides sollen schon vor der Abfahrt den Reisenden in Stimmung versetzen – oder dem Heimkehrer die Erinnerungen hervorrufen helfen. Ihre CDs sind kurzweilige Features mit Informationen zu Kultur, Geschichte und Alltag und vermitteln ein lebendiges Bild des jeweiligen Reiseziels.
Ihre jüngste Veröffentlichung nun widmet sich Berlin. Wie also fängt man Berlin für besuchswillige Touristen ein? Die „akustische Reise zwischen Wannsee und Alex“ konzentriert sich zunächst auf die klassischen Routen zwischen Brandenburger Tor bis Friedrichstraße, hin zum Potsdamer Platz und dem Kurfürstendamm. Komprimiert bekommt der Hörer die notwendigen Informationen geliefert, erfährt Fakten zur Historie und Wissenswertes aus der Gegenwart, garniert allerdings mit akustischen Untermalungen, die die beiden Feature-Autoren im Berliner Alltag eingefangen haben.
Da böllert das Silvesterfeuerwerk am Brandenburger Tor und es rumpelt die Trambahn. Man lauscht dem Geplauder der Berliner in der Buslinie 100, dem Gefeilsche auf dem Flohmarkt an der Straße des 17. Juni, den Stationsansagen im Bahnhof Friedrichstraße. Kober und Morgenroth versuchen einen schwierigen Spagat: die Pflicht der notwendigen, die Einheimischen längst langweilenden Sehenswürdigkeiten zu berücksichtigen und doch auf das eine oder andere abseits des Weges hinzuweisen.
Waltraud Ziervogel, Besitzerin von Konnopkes Currywurstbude auf der Schönhauser Allee, verrät, wie man einst das Westpatent für die Wurst ohne Darm umging; Berlinale-Kurator Wieland Speck beschreibt die Festivalatmosphäre; und das Mikrofon reicht selbst bis hinein ins „Hamam“, das türkische Frauen-Dampfbad in Kreuzberg.
Der Stadtplan im Inneren der CD-Hülle verzeichnet alle erwähnten Sehenswürdigkeiten und Einkaufs- und Gastrotipps, und die meisten lassen sich sogar gezielt als Track anspielen. In rund 40 Minuten hat man sich durch das Berlin-Besuchsprogramm fürs Ohr gehört. Zur Einstimmung und für die erste Orientierung ist damit in der Tat schon eine ganze Menge geschafft.
AXEL SCHOCK
Die geophon-CDs sind über den Buchhandel zu beziehen. www.geophon.de
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