■ beiseite: Stella AG
Im Metropol-Theater werden Operetten gespielt. Die Bilder, die zur Diskussion um die Schließung des Hauses gehören, zeigen allerdings keine lustigen Bühnenbilder, sondern traurige Menschen: Beschäftigte, die mit Unterschriften für den Erhalt des Metropol-Theaters sammeln. Die Kulturverwaltung hatte ausgerechnet, dass man sich bei einer Vergleichslösung mit etwa 60 dieser Beschäftigten gütlich einigen könnte – zu einem Preis von etwa 3,1 Millionen Mark. Die anderen gut 180 Mitarbeiter, vermutete man, würden klagen: Der Fall des Metropol-Theaters zeigt nicht nur, wie ein vom Zusammensturz bedrohtes System sich von Inhalten löst und allein auf Selbsterhaltung setzt (Luhmann), sondern auch, dass die Kultur auf die Frage des Ökonomischen (Marx) und der Sozialverträglichkeit (SPD) zurückgeführt wird.
Ein ähnlicher gelagerter Fall ist die Stella AG, die in Deutschland acht Musical-Häuser betreibt. Stella zeigt seit dem Juni diesen Jahres auf dem Potsdamer Platz den „Glöckner von Notre Dame“. Über den „Glöckner“ ist in den Berliner Feuilletons viel berichtet worden. Die ästhetischen Kriterien („Ohrwürmer – ja oder nein?“) nahmen dabei allerdings wenig Raum ein, interessanter waren die ökonomischen Fragen („100 Prozent Auslastung – ja oder nein?“). Jetzt hat Stella hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet, und die Kultur hat ihren Fall Holzmann. Das Feuilleton, das das kulturindustrielle Gesamkunstwerk (Adorno/Wagner) Musical nur über die Form der Unternehmensberichterstattung ertragen kann, ist jetzt ganz in den Jargon der Sozialverträglichkeit gezwungen: Die Gehälter der 4.000 Mitarbeiter sind vorerst gesichert, mit Hilfe eines Insolvenzverwalters könnten 10.000 Arbeitsplätze gerettet werden, legt dpa vor.
Das klingt nach Hoffnung, man wird es melden müssen. Spass macht das nicht: Noch fehlt dem Problem der Sozialverträglichkeit im kulturellen Sektor der Glamour. „Freunde, wir haben es geschafft“, hatte Gerhard Schröder in Frankfurt verkündet, nachdem er den Baukonzern Holzmann vor dem Konkurs bewahrt hatte. Und da ging es nur um 7000 Jobs mehr.
Kolja Mensing
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