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beiseiteLesung

Das Kaffee Burger in der Torstraße wird mehr und mehr zu einer Szeneinstitution. Davon profitiert auch der Verbrecher Verlag, der jeden Dienstag ab 21 Uhr im Kaffee Burger eine „Verbrecherversammlung“ abhält, bei der seine Autorinnen und Autoren vorlesen. Am letzten Dienstag war es der Sänger und Kreuzbergaktivist Max Müller, der erstmals seine Geschichten vorlas und dabei mehr durch seine Texte stolperte, als dass er sie souverän vortrug. Doch gegen harte Kost hatte das Publikum im Burger noch nie was. Weswegen es sicher auch heute Abend ganz locker bleibt, wenn der Langsatzbauer und Komplexiker Dietmar Dath aus seinem in Bälde erscheinenden Roman „Am blinden Ufer“ lesen wird.

Dabei will der ehemalige Spex-Chefredakteur beweisen, dass er fließend zwischen Pop-Essays und Science-Fiction hin- und herswitchen kann. Sein Buch „Am blinden Ufer“ ist ein Roman über Meeresbiologie, Liebe, Topologie, Nutztierhaltung und Militarismus. Sein Personal sind Heldinnen, Feiglinge und Menschen um die dreißig, die von alten Haudegen durch die Gefahren einer unbekannten Welt geführt werden. Dath hat den Roman unter Zuhilfenahme einer mehrfachen Drehung entlang der Zeitachse konstruiert. Da kann es sein, dass einer, der eben noch tot war, dem Leser plötzlich quicklebendig entgegenkommt. Die Geschichte dreht sich also nicht, wie es zunächst scheint, um ein absonderliches und grausiges Ereignis, vielmehr wird die Zeit selbst zur Hauptdarstellerin. Die Menschen stehen ratlos daneben. Ihnen bleibt nur die Rolle der Forscher und Entdeckerinnen. Dath stellt sich ganz bewusst in die Tradition der speculative fiction der 70er-Jahre, für die Autoren wie Harlan Ellison oder John Delany stehen. Das Abenteuerliche ist daher in seinen Büchern mehr der Konstruktion von Spannung geschuldet, als dass das Abenteuer den tatsächlichen Inhalt ausmacht. Daher ist eine Lesung von Dietmar Dath irgendwie immer ein wissenschaftliches Seminar. Wer da seinen Spaß dran hat, bleibt locker und wird auch nicht unlockerer, wenn dann noch Indie-Eintänzer Martin von den Finks seine Platten auflegt.

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