aufwärtshaken: Heidi Hartmann boxt heute gegen Jacqui Frazier
Prügeln für die Promotion
Einen Kampfnamen hat Heidi Hartmann nicht. Aber Europameisterin ist die Profiboxerin aus Uplengen in der Nähe von Oldenburg. Und ein großer Kampf wartet auf die 31-Jährige. Heute trifft sie in Norfolk/Virginia auf Jacqui Frazier, Tochter von „Smoking Joe“ Frazier, dessen berühmter Gegner Muhammad Ali ihr den Kampfnamen „Sister Smoke“ verlieh.
Dass der 39-jährigen Jacqui Frazier, im Hauptberuf Anwältin und Mutter dreier Kinder, seit sie im vergangenen Jahr gegen Leila Ali verlor, nichts zugetraut wird, beruhigt im Hartmann-Camp nur bedingt. „Vom Sportlichen her müssten wir gewinnen“, sagt Jürgen Paterok, Trainer und Manager. Und Heidi Hartmann selbst ergänzt: „Ich erwarte schon, dass ich gewinne. Ich werde auf K.o. boxen“, und begründet das mit schlechten Erfahrungen von anderen deutschen Kämpferinnen in den USA.
Für Hartmann ist der Frazier-Kampf die große sportliche Chance, auch wenn es nur um den Titel Internationale WIBF-Meisterin geht. Aber sie lernt das US-Boxen kennen, in dem höhere Gagen gezahlt werden. Für den Kampf gegen Muhammad Alis Tochter Leila erhielt Jacqui Frazier immerhin eine Million Dollar. Eingebettet ist der Fight in den Auftritt von Larry Holmes (52), Ex-Schwergewichtsweltmeister, gegen Eric „Butterbean“ Esch, einen Fleischklops, der mit dem Ruf eines Helden der weißen amerikanischen Working Class durch die Lande tingelt.
„Wenn man keinen Namen hat, kann man auch noch keine großen Börsen fordern“, spricht Jürgen Paterok übers Geld. „Wir bekommen den Flug und das Hotel bezahlt und erhalten auch ein Handgeld.“ Aber selbst wenn alles scheitern sollte, wird Hartmann von diesem Kampf profitieren. Die Magistra der Sportwissenschaft bereitet nämlich gerade eine Dissertation vor. „Sie handelt vom Frauenboxen“, sagt Hartmann. „Noch arbeite ich an einem Exposée.“ Ganz sicher ist das Zustandekommen der Doktorarbeit noch nicht. „Wie es weitergeht, müssen wir nach dem Exposée beurteilen“, sagt Prof. Dr. Thomas Alkemeyer von der Uni Oldenburg. Die Unterschiede zwischen dem US-Frauenboxen und dem deutschen sollen Bestandteil der Untersuchung sein.
Neben dem Boxen betreibt Heidi Hartmann auch gern Kickboxing – unlängst wurde sie in Leipzig zweifache Deutsche Meisterin – und geht ihrem Hauptberuf nach: Sportlehrerin an der Fachhochschule der Polizei. Ein Leben für den Kampfsport, dabei fing sie damit erst als Erwachsene an. „Als Jugendliche habe ich geschwommen und Wasserball gespielt. Später, während des Studiums, kamen noch Triathlon und Marathon hinzu. Dann habe ich Kickboxen und Taekwondo ausprobiert.“ Und sie entdeckte ihre Schlagkraft. „Ich boxe sehr gerne“, sagt sie, gefragt, wie sie ihre verschiedenen Sportarten gewichtet.
Ihr Boxdebüt gab Heidi Hartmann 1999. Danach gewann sie die meisten Kämpfe, bis sie im August 2001 in Oldenburg nach Technischem-K.o.-Sieg gegen die Rumänin Iordana Tone Europameisterin im Superweltergewicht wurde. Der Kampf gegen Jacqui Frazier findet aber nicht im Superweltergewicht, sondern zwei Klassen höher im Supermittelgewicht statt. Das ist die Klasse der 74 Kilo schweren Frazier.
„Wir haben zuerst den Kontakt gesucht“, erzählt Jürgen Paterok, wie der kleine Stall an einen solch großen Kampf kam. „Als wir da nicht so recht weiterkamen, haben wir es über die WIBF versucht.“ Die ist der größte von vier Weltverbänden und gilt auch als der seriöseste Verband. Präsidentin ist Barbara Buttrick, eine Pionierin im Frauenboxen, Vizepräsident Jürgen Lutz, Entdecker der deutschen Vorzeigeboxerin Regina Halmich. „Das Frazier-Management wollte Videomaterial zugesandt bekommen“, erzählt Paterok weiter „Wir haben dann einfach das Video mit dem EM-Kampf hingeschickt.“
Wenn Heidi Hartmann ihr Versprechen wahrmacht, Jacqui Frazier K.o. zu schlagen, kann sie sich endlich auch einen klingenden Kampfnamen zulegen. Wenn die Sache misslingt, wird die Niederlage eben analysiert und als Dissertation eingereicht. MARTIN KRAUSS
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