auf der alm, da gibt’s koa sünd (teil 5): taz-Sommerreporter JOSEF WINKLER wartet auf die Kühe, die nach Hause kommen
Kuh-Attacke! Wenn Rinder zum Tier werden
Schon die zweite „schlimme Kuh-Attacke“ auf Wanderer in diesem Jahr vermeldet die Neue Kronen Zeitung, das hiesige Äquivalent zu Bild (nur noch doof-verzweifelter). Auf einer Nachbaralm waren Urlauber mit ihrem Dackel durch eine Herde gedackelt und von nervösen Eutertieren sofort zum Verlassen des Geländes aufgefordert worden. Solche aggressiven Rindsübergriffe sind Ausnahmen, aber freilich bieten sich im Umgang mit den Gutmütern immer mal Gelegenheiten zum Verlust der körperlichen Unversehrtheit.
Pikant ist etwa die Brunft. Hormonell verwirrt, bespringen die Damen dann sich gegenseitig sowie gerne auch alles andere, was sich vor ihnen rumdrückt. Einmal fand ich meine Herde unten bei der Nachbarin. Mich in Plauschabsicht von der Kuh Blümei ab- und der Kollegin zuwendend, sah ich diese mit großen Augen an mir vorbeistarren und zuckte herum. Der Anblick einer sich auf ihre Hinterbeine aufbäumenden Kuh ist eindrücklich. Er macht einen sich wegducken wollen. Und das ist brillant so.
Regel: Aufgepasst bei Rindern in emotionellen Ausnahmesituationen. Vor ein paar Wochen gipfelte ein Kleinkrieg zwischen den Neurotikerinnen Schweizer und Stankonia (ja, ich weiß, die Namen …) in einem Scharmützel hinterm Stall. Ich lehnte in der Tür und beobachtete ihr Drohgemache, als Stankonia plötzlich zum Angriff überging. Wie zwei kollidierende Kleinwagen knallten die Streithühner so derb in den Türrahmen, aus dem ich mich gerade noch drehen konnte, dass sie den Riegel aus der Verankerung rissen. Exakt: Hopsa.
Oder der Klassiker: der Tritt. Rinder treten (meine selten) nach vorne/seitwärts aus, mit einem Schmackes, dass kein Auge trocken bleibt. Ich habe von Edelstahl-Melkeimern gehört, die mit Kickdellen in der Ecke landeten. Bei einem meiner Schaumelken vor interessierten Besuchern (immer schlecht für die Konzentration, hüstel) huschte ich einmal mit einer fachmännischen Anmerkung auf den Lippen seitlich an die gute Walmut heran. Gehusche finden Kühe total ungroovy, es erschreckt sie. Walmut musste meine Annäherung übersehen haben, dieser Gedanke schoss mir noch im Bücken durch den Kopf, bevor ihm beinahe Walmuts Hinterfuß gefolgt wäre. Wie in Zeitlupe sah ich das mächtige Ausholen, in das ich da ollikahnesk hineintauchte. Knapp. Ein paar Zentimeter, und meine geneigten Zuschauer hätten unter einer verstörten Acht-Zentner-Kuh nach meiner Kniescheibe suchen dürfen.
Aber auch die lieben Kleinen – der Tod auf vier Beinen. Vorsicht mit hungrigen Gierkälbern, die in ihrem Milchsuchflash in jede Kerbe ihre Schnauze hineinrammen, ein Reflex, mit dem sie „in der Natur“ den Milchfluss der Mutter anregen. Ein sehr ungestümes, forderndes Stoßen ist das, man möchte es in keiner Körpernische haben. Man möchte es zum Beispiel auch nicht am Kehlkopf haben. Eine hübsch bizarre Art, ums Leben zu kommen, ich wundere mich, dass sie nicht öfter vorkommt.
Um ihm die Stallkette umzulegen, beugte ich mich einmal tief über ein angefixtes Kalb und spürte plötzlich dessen Schnauze hart an meinem Hals schrammen. Wiederum: Etwas genauer gezielt, und ich hätte ein irritierendes Bild für das Jungtier abgegeben, mich mit ein paar letzten Keuchern zusammenkrümmend und – aus. Hach. Die lieben Viecherln. Ich geh jetzt melken. Und bin guter Hoffnung, zu überleben.
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