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auf asphalthöheFußgängerfreundliche Ausstellung auf Wanderschaft

Zu Fuß nach Utopia auf getrennten Wegen ohne Zebrastreifen

Die Berliner Fußgängerlobby ist stark. Zumindest was die Zahl einschlägiger Vereine angeht: Gleich zwei sorgen sich ausschließlich ums Gehwohl notorischer Läufer, potenziell immerhin gut 3,4 Millionen. Die Fußvereine organisieren Aktionen für diagonales Kreuzen, mobilisieren Befürworter von Straßenhubbeln und zahlen auch mal einen Zebrastreifen. Endziel: Berlin als verkehrberuhigte Zone.

Dass das eine Utopie bleibt, dafür sorgen die beiden Gruppen schon selbst. Zum einen sind FUSS e.V. und per pedes e.V. Lehrbuchbeispiele für Mancur Olsons Free-Rider-These: Wenige Engagierte kämpfen für den Nutzen vieler. Genauer: FUSS e.V. hat bundesweit etwa 500 Mitglieder, per pedes agiert ausschließlich in Berlin und Brandenburg. Etwas schwach auf der Brust für den Hürdenlauf um finanzielle und mentale Zuwendungen. Dazu kommt, dass die Front nicht nur zwischen Fußgängerlobby und den Ländern verläuft. Zusätzliche Energien verpuffen im Streit zwischen den Vereinen, die beiden Gruppen sind sich spinnefeind. Per pedes hat sich Ende der Neunziger vom Bundesverein getrennt und agiert seither quasi als regional-revolutionäre Splittergruppe – wegen so genannter „persönlicher Differenzen“. Zusammen hätten sie keine Chance, getrennt haben sie gar keine.

Besonders peinlich wird es, wenn Vertreter beider Clubs aufeinander treffen – wie am Montagabend im Rathaus Zehlendorf. Anlass war die Ankunft der Wanderausstellung „Auf dem Weg … Berlin auf dem Weg zur fußgängerfreundlichen Stadt?“ von FUSS e.V. Außer den exakt null Zehlendorfer Fußgängern waren nur die Organisatoren anwesend, drei an der Zahl: Karl-Heinz Ludewig, Mitglied der Bundesgeschäftsstelle und Landessprecher von FUSS e.V., die Bezirksstadträtin von Steglitz-Zehlendorf, Anke Otto (Grüne), und die Stadtbeauftragte für Zebrastreifen, Silke Schütze. Pikanterweise gehört Letztere zu den Per-pedes-Abtrünnigen. Zwei zufällig zusammenprallende Fußgängerlobbyisten, der Zwist und zwölf handverlesene Beispiele für die Fußgängerfreundlichkeit Berlins im Hintergrund – die Absurdität der Strategie „Im Ziele vereint, im Kampf getrennt“ könnte deutlicher nicht zutage treten. Einzige Chance für mehr Durchsetzungsvermögen: Laufkundschaft für die Vereine anwerben, warum also nicht mit einer Ausstellung wie dieser. Idealisten im Kampf für mehr Sicherheit im Verkehr sind rar genug – aber beharrlich. Bestes Beispiel ist die Fußgängerampel vorm Zehlendorfer Rathaus: Anke Ottos 7-jähriger Behördenmarathon wurde mit zwei Sekunden belohnt. Zwei Sekunden länger Grün für Fußgänger.

ANNE HAEMING

Die Wanderausstellung bleibt bis zum 16. 1. im Rathaus Zehlendorf, ab März wird sie in Reinickendorf gezeigt

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