arbeitsämter: Wenn das Beten sich lohnen täte
Deutschland hat wieder eine Faulenzerdebatte. Diesmal allerdings sind ausnahmsweise nicht die Arbeitslosen faul – sondern die Angestellten in den Arbeitsämtern. Was machen die eigentlich, wenn sie gar nicht so viele Arbeitslose vermitteln, wie sie selbst behauptet haben? Wahrscheinlich nichts, vermutet die Nation. Sitzen da in ihren warmen Büros und verpulvern die Milliarden.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Nun ist bestimmt wahr, dass sich die Arbeitsämter effizienter organisieren lassen. Und es spricht nichts dagegen, damit sofort anzufangen. Nur, muss man sich deswegen so aufregen?
Nein. Aber die kollektive Empörung hat ja auch nichts mit den Fehlbuchungen bei den Arbeitsämtern zu tun. Stattdessen äußert sich erneut die uralte Hoffnung, dass die Massenarbeitslosigkeit eigentlich nur ein ganz großer Irrtum sei. Ein bisschen mehr Management, ein bisschen mehr Motivation – dann müsste sich die Vollbeschäftigung doch herbeiorganisieren lassen!
Oder noch besser, noch tröstlicher: Vielleicht ist die Vollbeschäftigung ja längst erreicht, nur dass wir es noch gar nicht ahnen. Vielleicht lassen wir uns durch die offiziellen Statistiken täuschen? Denn wie falsch die amtlichen Zahlen sein können, das hat der Bundesrechnungshof doch gerade nachgewiesen!
Ja, was hat er denn nachgewiesen? Eigentlich nicht viel: Es wurde nur festgestellt, dass die meisten Arbeitslosen, die nun wieder beschäftigt sind, ihre Stelle ohne das Arbeitsamt gefunden haben. Ja, und? Und nichts. Außer dass die Bundesanstalt bisher behauptet hat, dass sie bei etwa fünfzig Prozent der erfolgreichen Bewerbungen vermittelt habe.
Daraus wird nun in der erhitzten Debatte geschlossen, dass man nur den Vermittlungsanteil der Arbeitsämter erhöhen müsse, um mehr Arbeitslosen zu einem Job zu verhelfen. Dies ist jedoch ein logischer Fehlschluss. Zunächst würde nur erreicht, dass mehr Erwerbslose, die eine Stelle finden, vorher durch die Flure der Arbeitsämter wandeln. Die Zahl der absoluten Neueinstellungen hat damit gar nichts zu tun.
Wir benehmen uns wie die Anhänger einer Naturreligion, die glauben, dass man nur vehement beten müsse, damit endlich Regen kommt. Bei uns wird dieses Beten durch Rationalisierungsvorschläge ersetzt. Wenn wir nur das Arbeitsamt effizienter gestalteten, dann fielen die Jobs ganz bestimmt vom Himmel! Man nennt das auch magisches Denken.
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