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arbeiten für hartz von CAROLA RÖNNEBURG

Wer in diesen Tagen herauszufinden versucht, was es mit den 13 Modulen der so genannten Hartz-Kommission auf sich hat, gewinnt nur eine Erkenntnis: Die Sprache der Regierung ist die Sprache der Journalisten. Ohne Not plappern Redakteure und Autoren Formulierungen nach wie „finanzielle Anreize für Arbeitslose“; sie sprechen von „Zumutbarkeit“, „Flexibilität“ und „Mobilität“.

Gerhard Schröder dürfte schon mindestens eine Flasche Bier angesichts dieses Marketing-Erfolgs geöffnet haben – in der Öffentlichkeit findet keine Diskussion darüber statt, dass die Hartz-Kommission den Staat zum Zwangsarbeitgeber ernennen und Grundrechte des Individuums außer Kraft setzen will: Wenn es nach ihr geht, muss der Arbeitslose nicht länger dem Markt zur Verfügung stehen, sondern das Arbeitsamt verfügt über ihn. Es verleiht ihn an Unternehmen, die ihn eine Weile beschäftigen und zurückgeben dürfen, wenn er ihnen nicht mehr passt. Die Behörde bezahlt ihn nach Tarif – so überhaupt ein Tarifvertrag gilt – und bestimmt damit über alles, was ein Bewerber gewöhnlich mit dem Arbeitgeber selbst aushandelt: von der Arbeitszeit über den Einsatzort bis hin zu Lohn und Urlaub.

Ob der Job dem Arbeitslosen mehr als Geld bringt, ob sich etwas Neues lernen lässt, ob die Arbeit körperlich zu bewältigen ist, ob sie Spaß macht, ob sie Aufstiegschancen bietet oder das Betriebsklima stimmt – das alles spielt für ein Zwangsarbeitsamt noch weniger eine Rolle als zuvor. Schließlich kann es dem Hartz-Papier zufolge jeden in jeden Job stecken, ihn erpressen und seinen Unterhalt kürzen, wenn er nicht tut, was man von ihm verlangt. Wer Einspruch erhebt, muss beweisen, dass man ihn auf den falschen Posten schicken will, und riskiert seine nackte Existenz. Im PR-Deutsch der Politik heißen diese Bedingungen euphemistisch „finanzielle Anreize für Arbeitslose“. In der taz vom 2. Juli steht diese Formulierung aber auch. „Jungen Singles“ (Spiegel) wird noch übler mitgespielt. Das „Reformprogramm“ (Zeit) „ohne Tabus und ideologische Scheuklappen“ (Spiegel) sieht vor, sie quer durch die Republik zu vermitteln, ohne Rücksicht auf soziale Bindungen. Wer in Oberhausen seine Arbeit verliert, muss seine Lebensgemeinschaft, seine Freunde und seine Familie hinter sich lassen und beispielsweise in Oberammergau neu anfangen; wer arbeitslos in Greifswald lebt, dem weist das Arbeitsamt womöglich eine Stelle in Mannheim zu. So wird aus Zwangsumsiedlung „hohe Mobilität“ bzw. „Zumutbarkeit“.

Das 13. „Modul“ der Hartz-Kommission beinhaltet kurz und knapp einen „Masterplan“. Auf „breiter gesellschaftlicher Ebene soll das Bewusstsein geweckt werden, dass Arbeitslosigkeit Sache der gesamten Gesellschaft ist.“ Möglicherweise beunruhigt die Vertreter der einst linksliberalen Medien der Angriff auf die Selbstbestimmung von Arbeitslosen nur deshalb so wenig, weil sie freiwillig nach Hamburg, Berlin oder München gingen, um Karriere zu machen. Es mag auch sein, dass ihnen erst ein Licht aufgeht, wenn das Arbeitsamt sie zu den Passauer Neuesten Nachrichten versetzt.

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