apokalypse der woche: Ölkonzerne rechnen sich grün
Manchmal zeigt der Zufall Zusammenhänge auf: Diese Woche meldet der Ölkonzern SaudiAramco für das zweite Quartal einen Rekordgewinn von 48 Milliarden Dollar. Am selben Tag erschien in Nature eine Studie, die nahelegt, wie Ölkonzerne die Auswirkung ihres Geschäftsmodells schönrechnen. WissenschaftlerInnen des Thinktanks „Climate Analytics“ haben dafür vier Szenarien untersucht, mit denen BP, Equinor und Shell die Klimazukunft modellieren – und für eine Zukunft ihrer Öl- und Gasverkäufe argumentieren. Die Konzerne legen Szenarien vor, die bei ambitionierter Klimapolitik zwischen 2056 und 2060 auf eine globale Mitteltemperatur hinauslaufen, die bei etwa 1,7 bis 1,8 Grad ihren Höhepunkt erreicht und dann sinkt. Unterschwellig ist die Botschaft: Weiter Öl und Gas zu verbrennen ist vereinbar mit dem Ziel des Paris-Abkommens, bis 2100 „deutlich unter 2 Grad“ zu bleiben. Dem widersprechen die ForscherInnen nun: Sie beziehen sich auf den UN-Klimarat IPCC und definieren das Pariser Ziel so, dass die Temperaturen mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit (und nicht nur mit 66 Prozent wie bei den Konzern-Analysen) unter 2 Grad bleiben. Doch diese Annahmen von 1,7 oder 1,8 Grad vernachlässigten die große Unsicherheit, wie das Klimasystem auf solche Temperaturen reagiert. Die Erwärmung könnte weitaus höher liegen. „Alle diese Szenarien würden als Unter-2-Grad-Pfade klassifiziert und sind inkonsistent mit dem Pariser Langzeitziel für Temperaturen, sie verfehlen das Ziel, die Erwärmung unter 2 Grad zu halten, und zielen nicht auf 1,5 Grad“, heißt es. Eine ordentliche Chance für das Paris-Ziel böten nur Szenarien ohne ein „Überschießen“ der 1,5 Grad. Das einzige Modell, das vor den Augen der WissenschaftlerInnen Gnade findet, ist das „NetZero“-Szenario der Energieagentur IEA. Das aber fordert: ab sofort keine neue Gas- oder Öl-Infrastruktur, weltweit keine neuen Verbrennungsmotoren ab 2035, Stromerzeugung ab 2040 nur noch ohne CO2-Ausstoß. Man versteht, warum Ölkonzerne anders rechnen. Bernhard Pötter
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