angeordnet: Der NDR-Skandal ist ein Grund, mal über PR zu reden
An den Berichten über die Hamburger Funkhaus-Chefin Sabine Rossbach irritiert ein Randaspekt. Die NDR-Direktorin soll Themenangebote der PR-Firma ihrer Tochter mit den Worten „Sollten wir haben“ an die Reaktion des „Hamburg Journals“ weitergereicht haben. Dabei ging es etwa um den Blankeneser Neujahrsempfang 2015, den ein Moderator prompt als „herausragend“ pries, und um Events einer Promi-Köchin.
Zuerst berichtet hatte das Magazin Business Insider, woraufhin auch ein Investigativteam des NDR der Sache nachging. Im Fernseharchiv befänden sich „mehrere Hundert Beiträge über oder mit den Kunden der PR-Firma“, schreibt dieses Team. Die Sache wird durch die Anti-Korruptionsbeauftrage überprüft.
Die Funkhaus-Chefin erklärte, sie habe keine Redaktion aufgefordert, gegen journalistische Standards zu entscheiden. Sie habe Themenangebote verschiedener Veranstalter und Agenturen weitergeleitet, darunter „vereinzelt“ welche ihrer Tochter. Sollte der Eindruck entstanden sein, dass diese bevorzugt behandelt werden sollten, bedaure sie das.
70 feste und freie Mitarbeiter sehen das dem Magazin „Zapp“ zufolge anders. Sie haben einen Brief an NDR-Intendant Joachim Knuth unterzeichnet, in dem es heißt, viele Kollegen berichteten von weiteren Beiträgen, die auf Wunsch der Chefin veröffentlicht wurden, ohne dass die Redaktion dies für begründet hielt. Indes liefert das Hamburger Abendblatt eine andere Sicht der Dinge. Mehrere Mitarbeiter des „Hamburg Journals“ sagten der Zeitung, über den Neujahrsempfang und das Koch-Event hätte man sowieso berichtet. Es handele sich um „sehr gängige“ Themen.
Liegt hier vielleicht das eigentliche Problem? Was macht einen Empfang in Blankenese „herausragender“ als in Langenhorn? Dass sich dort Wichtige treffen? Jedes Jahr folgten 850 „Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ der Einladung des Blankeneser Klönschnack-Magazins, preist die besagte PR-Agentur den Empfang –nachzulesen unter der Rubrik „Referenzen“.
Internetseiten von PR-Agenturen sind interessant. Hier wird Menschen versprochen, dass man sie gut präsentiert und ihre Bekanntheit steigert. Ein Blick darauf hilft dem Zuschauer zu verstehen, warum ein Promi gleich in die Medien kommt, nur weil er zu Pinsel und Farbe greift. Es wirkt schon keck, wenn sich das reiche Blankenese so wichtig nimmt und zum „Entscheider“-Treffen einlädt. Wer Profis beauftragt, das zu organisieren, und dann auch noch lauter Promis findet, die da unbedingt hin wollen, kann das tun.
Ein Hamburger Sozialsenator lehnte mal die Teilnahme an einer taz-Diskussion über Sparpolitik ab, weil er an dem Abend zum Empfang nach Blankenese musste. Termin ist eben Termin. Sind alle doll beschäftigt mit „Entscheider“ treffen. Auch über den Presseball berichtet das „Hamburg Journal“ lang und breit: über die Roben, die Fräcke, die Desserts. Elite trifft sich, malt, tanzt und kocht –und wird gefilmt. Ohne Kameras wäre das nicht so eventig. Die Zuschauer sind ein notwendiger Baustein fürs Wichtigsein.
Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders ist es, für den Zuschauer diese Kunstwelt zu hinterfragen. Kaija Kutter
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