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Wie werde ich vom Täter zum Opfer? Radprofi Floyd Landis setzt bei der Doping-Anhörung auf die Hilfe von Medienprofis

Floyd Landis hat hart an sich gearbeitet in den vergangenen Monaten. Nicht auf dem Fahrrad, dazu hatte er weder Zeit noch Grund. Rennen darf der vorbehaltliche Tour-Sieger von 2006 einstweilen nicht fahren und seine Verteidigung nimmt ihn sehr in Anspruch. Aber vor Mikrofonen ist der bis vor kurzem noch eher teenagerhaft-alberne Junge aus dem Bauerndorf Lancaster in Pennsylvania gereift. Staatstragend hörte er sich an, als er am Montag zum Start seiner Anhörung vor der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada in Malibu bei Los Angeles auftrat: „Ich freue mich, dass die Sache jetzt zu einem Ende kommt. Ich hoffe, dass die Richter fair entscheiden“, sagte Landis vor der ersten Sitzung an der Pepperdine-University. „Sollten sie es tun, bin ich zuversichtlich, dass ich meinen Titel verteidigen kann und wieder Rennen bestreiten werde.“ Eine Entscheidung werden die drei Usada-Experten am 23. Mai fällen.

Jetzt hörte man Landis also, der noch während der letzten Tour bei Presseterminen eher verlegen und unsicher wirkte, Sätze deklamieren wie: „Wir haben ernsthafte Bedenken, was die Wissenschaftsethik der Labors angeht, und machen uns schwere Sorgen um die Integrität des gesamten Anti-Doping-Systems.“ Und: „Die Politik der Wada und der Usada sind eine Beleidigung jeglicher rechtsstaatlicher Grundsätze.“ Man hätte meinen können, der junge Mann mit dem dezenten grauen Anzug und der gelben Krawatte, der da so sprach, bewerbe sich um einen Senatorenposten oder zumindest eine hochrangige Position einer Profisportlergewerkschaft.

Immerhin gab Landis zu, dass er hart an diesem Auftritt gearbeitet habe. „Wir machen fast nichts anderes“, berichtete er von dem Training mit seinem Stab an Consiglieri, die zur Hälfte aus Angestellten einer renommierten New Yorker PR-Firma bestehen. Brian Rafferty, der Vorsitzende des „Floyd Fairness Fund“, ist Vorstand von Taylor Rafferty, einer Firma, die amerikanischen Investoren durch geschickte Kommunikation neue Kapitalmärkte, vorzugsweise in Fernost, eröffnet. So jemand weiß, wie man Eindruck schindet.

Die Konzentration der Landis-Verteidigung auf das Auftreten ist kein Zufall. Denn ihr Fall steht auf wackeligen Beinen. So hält Dr. Andreas Breidbach, langjähriger Analytiker in Dopinglabors in Köln und Los Angeles, die Strategie des Landis-Anwalts Howard Jacobs für durchsichtig: „Er kommt immer wieder mit denselben Argumenten. Er ist nie damit durchgekommen.“ Das ganze Gerede von groben Verfahrensfehlern und gezielten Fahrlässigkeiten im französischen Labor ist laut Breidbach hanebüchen: „Die würden sich niemals auf so dünnes Eis begeben.“

Bestenfalls wird es Landis wohl gelingen, das Verfahren noch ein wenig hinauszuzögern, gewinnen wird er es wohl auch in letzter Instanz vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne nicht. Worauf er hingegen hofft, ist, dass er es, ähnlich seinem ehemaligen Mannschaftskapitän Armstrong, schafft, die amerikanische Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen. „Wir wollen den Schaden reparieren, der Floyds Ruf zugefügt wurde“, sagte Michael Henson, enger Mitarbeiter von Rafferty. Selbst im Fall der wahrscheinlichen juristischen Niederlage soll der US-Marktwert von Landis als Sport-Promi und Werbeträger erhalten bleiben.

Einen ersten Erfolg auf diesem Weg hat das Landis-Team schon erreicht. Rafferty, Henson, Johnson und Co. haben erzwungen, dass der Usada-Prozess in Malibu öffentlich ist. Vor laufender Kamera und Live-Publikum, darauf hoffen die gewieften Medienprofis, werden sie und ihr gecoachter Klient sich deutlich geschmeidiger bewegen als die Verbandsfunktionäre und deren graue Advokaten. Am Ende soll Floyd Landis als Opfer einer wild gewordenen, „korrupten und inkompetenten“ Sportbürokratie dastehen. SEBASTIAN MOLL

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