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american pieMajor League Baseball will sich gesundschrumpfen

Und du bist raus!

Mit Jesse Ventura ist nicht gut spaßen. Ventura mag zwar Gouverneur von Minnesota sein, erinnerte aber mit einem kleinen Wutanfall kürzlich die amerikanische Öffentlichkeit wieder einmal daran, dass er früher sein Geld als Wrestler verdiente. In Rage brachte den Glatzkopf, dass die Teambesitzer aller großen Baseball-Vereine beschlossen hatten, zwei von 30 Klubs der Major League Baseball (MLB) zur kommenden Saison dicht zu machen, um den kränkelnden Sport auf finanziell gesündere Füße zu stellen. Offiziell wurden die zu eliminierenden Teams zwar noch nicht benannt, aber neben den Montreal Expos wurden vor allem die Minnesota Twins aus dem Heimatstaat des Gouverneurs als potenzielle Opfer gehandelt.

Mr. Ventura blieb nicht allein im Widerstand. Die Spielergewerkschaft, in Sorge um 50 gut bezahlte Jobs ihrer Mitglieder, ging sofort vor Gericht. Eine Bürgerinitiative sammelte mehr als 150.000 Unterschriften für den Verbleib der Twins in Minneapolis. Und ein Bezirksgericht hat bereits entschieden, dass die Twins laufende Verträge respektieren und die kommende Saison spielen müssen. Eine endgültige Entscheidung wird der Oberste Gerichtshof von Minnesota erst Ende Dezember fällen – wohl zu spät, um noch vor der nächsten Spielzeit die Liga-Verkleinerung durchführen zu können.

Die bliebe eh, auch ohne die rechtlichen Probleme, ein Zuschussgeschäft: Mit mindestens 250 Millionen Dollar müssten die Besitzer der aufgelösten Teams ausgezahlt werden, fast neun Millionen pro verbleibendem Klub. Aber: Bringt die Verkleinerung der Liga überhaupt den gewünschten Effekt? Experten bezweifeln dies. Abgesehen von finanziell gesunden Franchises wie den Yankees und Mets in New York konkurrieren die wenigsten Teams direkt miteinander: Kein Stadionbesucher in Tampa trinkt nur ein überteuertes Bier mehr, weil es in Montreal keine Mannschaft mehr gibt. Auch dass die gemeinsamen Einkünfte nur mehr durch 28 geteilt würden, brächte nicht viel, sondern gerade mal pro Team zusätzliche zwei Millionen Dollar, das Gehalt eines Durchschnittsspielers. Perspektivisch wäre es sinnvoller, die kränkelnden Franchises in interessierte Städte wie Washington oder Las Vegas umzusiedeln.

In der Eishockey-Stadt Montreal ist Baseball niemals richtig angenommen worden, der Zuschauerschnitt lag in der letzten Saison mit 7.648 niedriger als der von manchem niederklassigen Team, noch nicht einmal einen regionalen TV-Vertrag haben die Expos. Aber schon bei Minnesota scheiden sich die Geister: In der vergangenen Saison waren die Twins lange genug Tabellenführer, um den Publikumszuspruch um 78 Prozent zu steigern. Die Florida Marlins, ebenfalls Kandidat für einen Rauswurf, gehörten noch vor vier Jahren, als sie die World Series gewannen, zu den fünf Klubs mit den meisten Zuschauern.

Wäre die Idee, die Liga zu verkleinern, Ende der 80er-Jahre aufgekommen, hätten wohl die Seattle Mariners, Cleveland Indians oder Atlanta Braves dran glauben müssen. Drei Klubs, die mittlerweile regelmäßig um die Meisterschaft mitspielen. Würde nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden, müsste sogar der World-Series-Sieger mit dem Ende rechnen: Bei den Arizona Diamondbacks können die Zuschauerzahlen nicht mit den Gehältern der Stars mithalten, die Schulden des gerade mal vier Jahre alten Klubs steigen stetig.

Längst drängt sich die Vermutung auf, dass die Verkleinerung vor allem ein Erpressungsversuch ist. Die MLB will so widerspenstige Stadtverordnete, die sich gegen die Finanzierung neuer Stadien wenden, unter Druck setzen. Zum anderen hoffte man wohl, angesichts anstehender Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag die Spielergewerkschaft einschüchtern zu können. Nun aber droht erst recht ein Arbeitskampf. Und was fast noch schlimmer ist: Jesse Ventura hat schlechte Laune.

THOMAS WINKLER

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