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akw obrigheimSchröder war’s, nicht Trittin

Gerhard Goll weiß, was er will. Der Chef des Stromkonzerns EnBW zielt mit seinem Antrag, das Atomkraftwerk Obrigheim länger als geplant laufen zu lassen, auf drei wunde Punkte der Koalition: Er will mit dem abgeschriebenen Reaktor weiter kräftig Geld verdienen; er will verhindern, dass auch in der zweiten rot-grünen Amtszeit ein AKW wegen des Atomausstiegs vom Netz geht; und er will Umweltminister Jürgen Trittin bloßstellen, weil der den geheimen Deal angeblich abgesegnet hat. Goll wird sein erstes Ziel erreichen, die anderen beiden nicht.

Kommentarvon BERNHARD PÖTTER

Denn selbst bei den Grünen gilt nur der Erfolglose als Verräter. Und Trittin hat sich nichts weiter zuschulden kommen lassen als die üblichen Tricks. Natürlich hat er gewusst, dass sich Goll und Schröder über den zweiten Frühling für Obrigheim abgesprochen haben. Natürlich hat Trittin gewusst, dass der Antrag kommen würde. Aber da er vom Inhalt der Absprache nichts Konkretes wissen wollte, kann er jetzt behaupten, eine solche Absprache sei ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung getroffen worden. Sein Veto hat er allerdings auch nicht eingelegt. Trittin hätte das Thema entschärfen können, wenn er es frühzeitig öffentlich gemacht hätte, sagen die einen. Dann wäre bei den Grünen die Schmerzgrenze überschritten gewesen, sagen die anderen.

Eine Affäre ist das nicht. Und ein Rücktrittsgrund auch nicht. Trittin hat nicht gelogen, sondern aus Taktik etwas verschwiegen. Das aber ist kein Grund, den erfolgreichsten deutschen Umweltminister in die Wüste zu schicken. Und wenn Obrigheim noch ein paar Jahre bekommt, aber vor der nächsten Bundestagswahl abgestellt wird, sind alle zufrieden. Zwar ist eine Gnadenfrist für das AKW Obrigheim sachlich nicht zu rechtfertigen, doch die besseren Argumente zählen wenig, wenn der Kanzler in typischer Hinterzimmerpolitikmanier sein Wort gegeben hat.

Nun steht aber nicht der Koch Schröder für dieses Vorgehen in der Kritik, sondern sein Kellner Trittin. Dabei muss Schröder jetzt einen Kompromiss finden, will er nicht einen richtigen Krach in der Koalition riskieren. Man stelle sich vor: Trittin lässt den Antrag ordnungsgemäß prüfen und lehnt ihn aus guten Gründen ab. Dann hätte Schröder ein wirkliches Problem: Es ist nämlich schwer zu rechtfertigen, einen Minister rauszuschmeißen, weil der sich peinlich genau an die Vorschriften und den Rechtsweg gehalten hat – und nicht an irgendwelche Kungeleien seines Chefs.

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