piwik no script img

Zwist in der PiratenparteiKabale und Liebe

In einer Marathonsitzung rechnet die Berliner Piratenfraktion mit sich selbst ab. Zuvor gab es Turbulenzen um ihren Chef Christopher Lauer.

Kurz vorm Platzen: Die Berliner Fraktion der Piraten. Bild: dpa

BERLIN taz | Um kurz vor 23 Uhr, nach mehr als fünfstündiger Krisensitzung hinter verschlossenen Türen, sendet die Berliner Piratenfraktion eine Mitteilung an die Presse, die wohl als gute Nachricht gedacht ist: „Wir sind eine Fraktion und wir haben den festen Willen, eine Fraktion zu bleiben.“ Alle hätten „konstruktiv“ über die „Vorgänge der vergangenen Woche“ gesprochen und „Missverständnisse“ ausgeräumt. „Der Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes oder die Auflösung der Fraktion wird von der Fraktion nicht in Betracht gezogen.“ Aus dem PR-Jargon übersetzt: Viele Grüße vom Abgrund.

Die Piraten im Berliner Landtag blicken auf eine der hässlichsten Wochen ihrer bald zweijährigen Geschichte zurück. Im Zentrum der Turbulenzen: Fraktionschef Christopher Lauer und die kürzlich mit seinem Zutun beförderte Pressesprecherin Chris Linke, mit deren ebenfalls in der Fraktion beschäftigten Tochter Lauer wiederum seit ein paar Monaten liiert ist.

Ein Trio, das wohl keine Zeile wert gewesen wäre, hätte es sich nicht binnen weniger Tage selbst erfolgreich skandalisiert. Höhepunkt: Eine per „Eilmeldung“ angesetzte Pressekonferenz am Freitagabend vor Pfingsten, bei der Christopher Lauer den Verdacht der Vetternwirtschaft von sich wies, angeblichen Verrätern in den eigenen Reihen den Kampf ansagte und wetterte, er sehe keine „Arbeitsgrundlage“ mehr für die Zusammenarbeit in der Fraktion.

Der Auftritt des 28-jährigen Parteipromis ließ auch Fraktionskollegen ratlos zurück. Wieso diese Welle, wenn die Familienbande so unproblematisch war? Ging es am Ende nicht nur darum, den Verdacht der Vetternwirtschaft zu zerstreuen – sondern schrieb der Fraktionschef bereits an der Dolchstoßlegende für den Fall, dass er bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands Mitte Juni durchfallen sollte?

Bisher keine Kampfkandidatur

Sicher ist: Lauer hat sich über die Monate für viele Piraten unmöglich gemacht – unvergessen seine Droh-SMS an den damaligen Politischen Geschäftsführer Johannes Ponader („Wenn Du bis morgen 12.00 Uhr nicht zurückgetreten bist, knallt es gewaltig“). Lauers Mehrheit in der Fraktion gilt als unsicher. Allerdings hat sich bisher kein Herausforderer zur Kampfkandidatur gemeldet.

Nach der gestrigen Krisensitzung der Fraktion stehen – zumindest für die Öffentlichkeit – ähnlich viele Fragen im Raum wie zuvor. So hatte der Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt in einem Fragenkatalog öffentlich thematisiert, wie und warum Chris Linke vor einem Monat vom Fraktionsvorstand, dem Lauer angehört, zur Pressechefin befördert wurde.

Sie ist im Gegensatz zu einem Kollegen in der Pressestelle nur befristet als Elternzeitvertretung beschäftigt und gilt in Partei- und Fraktionsangelegenheiten als weniger bewandert. Doch bevor die Angelegenheit zur Sprache kam, wurde das Publikum des Saals verwiesen. Begründung: Es gehe um Personalangelegenheiten, die intern diskutiert werden müssten.

Der Ton fehlt

Reinhardt thematisierte auch eine andere Merkwürdigkeit: Angeblich war die Aufzeichnung einer öffentlichen Fraktionssitzung im April technisch misslungen – just in einer Passage, in der Lauer ausflippte, fehlte der Ton. Die Erklärung, es handele sich um eine „Tonpanne“, sorgte selbst unter Piraten für ungläubige Heiterkeit. Hatte jemand den Mitschnitt zensiert? Auch darauf gab es nach der Sitzung zunächst keine neue Antwort.

Die Fraktion will ihre Marathonaussprache „spätestens nächsten Dienstag“ fortsetzen. Für Parteichef Bernd Schlömer steht das Ergebnis schon fest: Auf die süffisante Frage einer Vorstandskollegin am Mittwochmorgen auf Twitter, ob die Berliner Fraktion noch tage oder ein Ergebnis vorliege, antwortete er: „Alles ist gut.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Abartiges wie Nikotin und freier ÖPNV können die Piraten nicht von wichtigen Zielen unterscheiden. Warum hängen sie dermaßen an solchen Fliegenfängern fest?

     

    Warum lassen sie über solche Ziele nicht abstimmen? Unbegreiflich!

  • MR
    Matthias Raupach

    Sorry, aber sowas interessiert niemanden ...

     

    Eine News ohne News...

     

    Eine Nachricht ohne Inhalt ...

     

    Ich fasse das mal zusammen: "Piratenfraktion Berlin hat sich ausgesprochen, alle vertragen sich wieder."

     

    Oder Frau Geislers Zusammenfassung:"Zwist in der Piratenpartei[..]Piraten rechnen miteinander ab[...] Viele Grüße vom Abgrund."

     

    Inhaltlich wieder mal das Gleiche, aber eigentlich gibt da nichts was einen solch langen Artikel rechtfertigt...Eigentlich nichts was überhaupt einen Artikel rechtfertigt...naja aber Frau Geislers Intention wird wenigstens offensichtlich...

     

    Aber wenn selbst die Springerpresse über die wirklichen Skandale berichtet und die taz anfängt über so etwas zu schreiben, dann gute Nacht

     

    Gemeint ist natürlich dies hier:

     

    http://www.welt.de/politik/deutschland/article116423648/Wer-beraet-eigentlich-diesen-Vizekanzler.html

  • BI
    Bertram in Mainz

    Seltsam: In den Berichten über die Piraten geht es immer nur um Personal-Gezänk. In Berichten über andere Parteien geht es erst mal um die Themen und Forderungen der jeweiligen Partei. Ich meine nicht einen bestimmten Bericht. Mir fällt das generell auf. Das muss gar nicht mit Absicht geschehen. Aber ich habe den Verdacht, dass sich in diesen Berichten die Einstellung der Journalisten spiegelt.

     

    Die Piratenpartei steht in erster Linie für ihr Programm! Das Gezänk in der Partei ist ärgerlich. Für den Wähler im Wahllokal sollten nur die Sachfragen wichtig sein! Welche Partei steht sonst noch für Bürgerrechte und Freiheiten? Wen soll man wählen, wenn einem die Grünen zu radikal sind?

  • E
    Eisvogel

    Das ist eine direkte Folge der irrigen Annahme, man könne einem psychisch und emotional nicht voll belastbaren Mann ein solches Parteiamt anvertrauen.