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Zwischen den RillenJenseits von Afrika

■ Handgemachtes Stimmensampling: Zap Mama und die Folgen

Bikulturelle Biographie, weltmusikalischer Werdegang – nicht selten besteht da ein direkter Zusammenhang. Marie Daulne, Tochter eines belgischen Vaters und einer Mutter aus Zaire, bestätigte vor gut sieben Jahren diese ungeschriebene Regel mit der Gründung der A-cappella- Frauenformation Zap Mama. Marie Daulne ist „Belgo Zairoise“, wie es auf ihrem neuen Album heißt – eine Tatsache, die das von ihr geleitete multikulturelle Frauenstimmenkollektiv mit dem lustigen Namen prägte, ohne es jedoch zu determinieren. Vielfältige Muster und Formate flossen in ein schillerndes Vokal- Patchwork ein, das zwar ziemlich postmodern wirkte, in der Wahl der Produktionsmittel aber der Tradition verhaftet blieb: handgemachtes Stimmensampling sozusagen.

Nach einer kreativen Pause, in die auch die Geburt von Tochter Kesia fiel, kehrt Marie Daulne jetzt unter dem alten Namen zurück. Obwohl sie, mit einem Walkmanrecorder gerüstet, im letzten Jahr für einige Wochen nach Mali reiste, um den Tuareg das Geheimnis ihrer Gesangstechniken zu entlocken, ist das neue Album „7“ noch weniger reinrootsig als die Vorgänger. Von der ursprünglich fünfköpfigen Zap-Mama-Besetzung sind nur noch Daulne selbst und Sabine Kabongo dabei, wechselnde Gäste ergänzen das Gesangstandem.

Vor allem aber sind Instrumente hinzugekommen. Baß und Schlagzeug verpassen der flirrenden Vokalakrobatik ein rhythmisches Korsett, ohne sie jedoch merklich einzuengen. Das Prinzip der Polyphonie bleibt erhalten, wie schon der Opener „Jogging à Tombouktou“ demonstriert: Das ganze Spektrum human erzeugbarer Geräusche wird zelebriert – von Zwitschern, Trillern und Flöten bis Keuchen und Brummen –, während die Rhythmussektion im Hintergrund rumpelt und tuckert. Einzelne Gastauftritte runden das bunte Gesamtbild ab: Das smoothe „Poetry Man“ etwa, ein Duett mit einem brummigen Barry-White-Double – europäischen Afrosoul würde ich so was nennen.

Afrika ist hier weniger utopische Metapher als konkreter Ort und persönlicher Bezugspunkt – möglicherweise ein prinzipieller Unterschied zwischen Afroamerikanern und Afroeuropäern. Auch richtet sich die Botschaft nicht lediglich an die Teilöffentlichkeit der Community, sie ist dezidiert universell. Marie Daulne führt das singende Mutterschiff gemächlich in den Hauptstrom der Pop-Fahrwasser, nähert es dem Handmade-HipHop der frühen Arrested Development-Landkommunarden oder der Latzhosenphase einer Neneh Cherry, um dann wieder, etwa mit dem Etta-James-Cover „Damn your Eyes“, auf Gospelformationen von den Staple Singers bis zu En Vogue zu verweisen.

Die übrigen Ex-Mamas gehen derweil eigene Wege, so auch die in Paris lebende Sally Nyolo. Die einstige Weggefährtin traf sich zuletzt mit ihrer Mentorin Marie Daulne bei den Arbeiten zur Filmmusik für den Brooklyn-Streifen „Blue in the Face“ von Wayne Wang. Als Backgroundsängerin verdingte sich Sally Nyolo einst für Musiker von Tour Kunda bis Toni Childs, wirkte aber auch als Komponistin an Hörspielen und Filmmusiken mit; zu Zap Mama stieß sie erst später.

Geboren im Süden Kameruns, erweist Sally Nyolo auf ihrem Solodebüt ihre Reverenz an die heimatlichen Gesänge des Beti- Volkes in Kamerun und an den „Tribu“, den Tribe. Eine gefällige Produktion, Roots zwar, aber mit kräftiger Studiopolitur – das ideale Lifestyle-Accessoire für den weltreisenden Bildungsmenschen, der seine Wohnung schon mit allerlei afrikanischen Kunstgegenständen vollgestellt hat.

Ein wenig erinnert das an jene, häufig in Fernreise-Zielgebieten anzutreffenden lokalen Handwerker, die auf Reklameschildern den vorbeikommenden Touristen ihre Dienste anbieten: „Antiques made to order“. Vormodern ist auch die Botschaft von „Tribu“: „Ein Bruder braucht den Stamm, um ihn in seinem Kampf ums Überleben zu ermutigen“, faßt Sally Nyolo den Titel „Awou“ zusammen. Das Lob der ursprünglichen Gemeinschaft, gegossen in sanfte Rhythmen, die Heilung von den Entfremdungen der modernen Welt versprechen. Ganz konkret sogar: Das letzte Stück dient auch der Behandlung von Mandelentzündungen.

In Brüssel hofft derweil das A- cappella-Quartett Tam'Echo'Tam die Lücke zu füllen, die von den auseinanderstrebenden Zap Mamas gelassen wurde: swingende Vokalmusik mit multikultureller Färbung, die zwischen Jazz, Gospel, afrikanischen Rhythmen und französischem Chanson pendelt. Die Sänger, zwei Männer und zwei Frauen mit französischem, zairischem, guyanischem und marokkanischem Hintergrund, berufen sich auf Vorbilder wie Bobby McFerrin und Marie Daulne, stützen sich aber deutlicher auf europäische Vokalmusiktraditionen als diese. Schon der neue Jahrgang einer Brüsseler Schule? Daniel Bax

Zap Mama: „7“ (Virgin)

Sally Nyolo: „Tribu“ (Lusafrika)

Tam'Echo'Tam: „Tam'Echo'Tam“ (Jaro)

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