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Zwischen den RillenJäger des verlorenen Schatzes

■ Westafrika im World Wide Web: Ernest Ranglin, Baaba Maal und Angelique Kidjo

Many Rivers to Cross: Mit Jimmy Cliff, der damals gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand, betrat Jamaikas Stargitarrist Ernest Ranglin vor 22 Jahren erstmals afrikanischen Boden. Mit sich brachten die beiden, die damals durch ausverkaufte Fußballstadien tourten, den Reggae nach Westafrika, wo er auf fruchtbaren Boden fallen sollte.

Aber sie nahmen auch etwas mit: Eindrücke, Inspirationen, Ideen. Ernest Ranglin jedenfalls will damals schon den Plan gefaßt haben, zu gegebener Zeit ins Gelobte Land zurückzukehren, um mit lokalen Größen zusammenzuarbeiten. Es scheint einiges dazwischengekommen zu sein, wie das ja so oft ist, aber nach knappen zweiundzwanzig Jahren war es dann so weit. Wie einst der verlorene Sohn kehrte der legendäre, in England lebende Skagitarrist kürzlich zurück aus der afrokaribischen Diaspora, zurück in den Senegal, von wo aus, wie Ranglin annimmt und notizenhaft im Booklet vermerkt, seine Vorfahren einst von Sklavenschiffen verschleppt wurden.

Dort, an der sagenumwobenen Quelle afroamerikanischer Musik also, traf Ranglin sich mit Senegals Superstar Baaba Maal, den er als jungen Musiker bereits bei seinem ersten Besuch kennengelernt hatte, und jammte mit dessen Band locker los. Nur eine Woche dauerten die Aufnahmen, aber im Resultat spiegelt sich die Reife eines reichen Musikerlebens. Mal als instrumental-experimentelle Fingerübung, mal im traditionellen Sahel-Groove, aber immer frisch und überraschend: Entspannt perlt Ranglins Gitarre über plinkernde Kora-Melodien und trockene Percussion- Rhythmen, als wäre diese Kombination die natürlichste der Welt, und verschmilzt zu einem bemerkenswerten Amalgam. Als Alterswerk – Ranglin ist immerhin schon 66 – will „In Search of the lost rhythm“ als eine musikalische Spurensuche nach vermuteten Verbindungslinien zu Wurzeln in Westafrika gelesen werden, auf der Jagd nach dem verlorenen Schatz. Für den unvoreingenommenen Hörer ist es schlicht ein perfektes Roots-Crossover – akustisch, praktisch, gut.

Etwas anders verhält es sich mit dem Album, das Baaba Maal fast zeitgleich, aber mit unendlich mehr Aufwand produzierte. Der jettete im Gegenzug nach Jamaika, zum Duett mit Reggae-Star Luciano, aber auch nach London und New York, um dort die Aufnahmen zu seinem eigenen Album abzuschließen. „Nomad Soul“ baut auf fette Synthie-Sounds und dem eindringlichen Gesang Baaba Maals auf und taugt, von diversen Remix-Koryphäen studiotechnisch veredelt, durchaus zum kommerziellen Radiofutter. Der Titel trifft allerdings den neuralgischen Punkt der Produktion – rastlos pendelt Baaba Maal zwischen den Stilen, streut hier ein bißchen, ja, TripHop ein und bietet dort, mit Sinead O'Connors Vokalgruppe „The screaming Orphans“, ein bißchen Pop-Bombast auf. Weniger wäre mehr gewesen.

Es ist das bekannte Lied: Der Ausbruch aus dem Weltmusik- Ghetto scheint Musikern wie Maal nur erreichbar zu sein um den Preis der Aufgabe all dessen, was leicht zivilisationsmüde Symphatisanten wie Ranglin an afrikanischer Musik gerade anzieht: ihre Unmittelbarkeit. Baaba Maal, der mit „Nomad Soul“ wohl gerne an die kommerziellen Erfolge seines Landsmanns Youssou N'Dour anknüpfen möchte, erinnert in seinem Vorgehen jedoch an einen Lottogewinner, der sich die Wohnung wahllos mit teuren, aber nicht zueinander passenden Luxusmöbeln vollstellt.

Man muß kein Purist sein, um seinen früheren Arbeiten mehr abgewinnen zu können. Über Baaba Maals akustisches „Djam Leeli“ – 1986 veröffentlicht und jetzt wieder herausgebracht – sagte BBC-Guru John Peel einst, sie hätte ihn getroffen wie die erste Hörbegegnung mit Muddy Waters. Aber Muddy Waters lebt hier nicht mehr, statt dessen ist Michael Jackson eingezogen.

Das man mit dem Leitbild Dancefloor auch ganz gut fahren kann, wenn man nur gradlinig genug ist, hat bisher niemand so deutlich gezeigt wie Angelique Kidjo, die Disco- Queen aus Benin. Die aus dem westafrikanischen Kleinstaat stammende, in Paris lebende Sängerin hat zur Musik ihrer einstigen Heimat längst ein routiniert-instrumentelles Verhältnis entwickelt: Wenn sie will, bedient sie sich der musikalischen Mitgift. Aber sie muß nicht.

Sie kann auch nach New York gehen, im Duett mit Cassandra Wilson singen, sich vom Edel-Jazzer Branford Marsalis begleiten lassen und, als gelungener Gag, Hendrix' „Voodoo Child“ covern. Benin, die Heimstatt des Voodoo-Kults, taucht da nur noch als ferne Metapher am Horizont auf. „Oremi“ bietet globalisierten Afro-Funk, gefällig, tanzbar und professionell, dessen südhemispherische Spurenelemente kaum noch auffallen: Afro-R&B für das World Wide Web der Weltmetropolen. Das muß man nicht schlimm finden. Aber auf der Suche nach alternativen Rhythmen wird man auf „Oremi“ natürlich nicht fündig. Daniel Bax

Ernest Ranglin: In Search of the lost riddim (Palm Pictures/RT)

Baaba Maal: Nomad Soul (Palm Pictures/RT)

Baaba Maal & Thione Seck: Djam Leeli (Yoff/RT)

Angelique Kidjo: Oremi (Mercury)

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