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Zwischen den RillenSex mit dem Ego

■ Schmuck-Eremiten des Songschreibertums: Bonnie Prince Billie und Smog

Laß einen Mann allein, und schon fängt er an zu singen. Mal schön, mal weniger schön. So wie Will Oldham zum Beispiel. Er soll ein komischer Kauz sein, menschenscheu, unverträglich und mehr oder weniger lebensunfähig. Aber wenn er singt, ob unter dem Namen Palace Brothers, Palace Songs, Palace Music, schlicht Palace oder neuerdings Bonnie Prince Billie, wenn er singt, dann schmelzen Herzen und Steine suchen bereits gasförmige Zustände auf. Was soll man schon erwarten von einem Menschen, der seine neue Platte „I See a Darkness“ nennt. Bei Hank Williams hieß das noch „I See the Light“, und der ist mit 29 Jahren auf einem Autorücksitz an den Folgen seines Drogenmißbrauchs gestorben.

Gleich im ersten Song geht es darum, ohne jede Spur zu verschwinden, im zweiten heißt es „Living I must work / To make our lives here justified“, im dritten heißt es, man sollte besser gar nicht mehr schlafen gehen, ist eh zu gefährlich.

Tod und Sex und was beide miteinander zu tun haben könnten, das waren schon immer welche von Oldhams typischen Themen. Pferde kommen auch öfter vor. Keine Ahnung, wie die sich da einfügen. 1996 begann Oldham sich für Techno zu interessieren und ein Experiment mit einer Rhythmusmaschine. Das Experiment war aus der Not geboren, weil der gewünschte Schlagzeuger nicht verfügbar war. Es ist beendet. Nun trommelt wieder Fleisch und Blut, was aber natürlich nicht bedeutet, daß hier nicht außerordentliche Monotonie stattfindet. Selbst wenn wie in „Madeleine-Mary“ im Hintergrund eine E-Gitarre Amok läuft, zieht einen die Grundstruktur des Songs erfolgreich in einen kreisrunden Sog. Ist er zu Ende, schlägt man unsicher die Augen auf und merkt überhaupt erst dann, daß man sie die ganze Zeit geschlossen hatte, während man jenem irgendwie zu dünnen Stimmchen zuhörte, das manchmal ganz leicht und unsicher vibriert, während es immer knapp an einem Country-Jodeln vorbeischrammt.

Dies ist keine Musik für glückliche Menschen. Was aber auch wieder nicht heißen soll, es sei Musik von einem unglücklichen Menschen. Es ist Musik von einem, der es halt nicht anders kennt und seinen Zustand als durchschnittlich anerkannt hat. Und traurig sein ist auch wieder sexy. Oder wird es mal wieder. Demnächst. Vielleicht. Was einem beim Zuhören auch egal sein kann, solange Will Oldham einem das Gefühl gibt, es gibt jemanden, dem es noch schlechter geht als einem selbst.

Ein Effekt, der sich unvermeidlicherweise auch bei Bill Callahan einstellt, der seine Egotrips unter dem Markennamen Smog veröffentlicht. Aber im Vergleich zu Oldham scheinen dessen Probleme fast harmlos. Er ist zwar bei derselben Plattenfirma und tritt des öfteren zusammen mit Oldham auf, aber hat offensichtlich vor allem ein gebrochenes Verhältnis zum Verliebtsein. Oder anders gesagt: Er hat ein ausgesprochen gut gepflegtes Verhältnis zum Verlassenwerden.

Sollte die Faustregel „1 Beziehungsende = 1 Song“ halbwegs hinhauen, ist dieses Herz mindestens einige dutzendmal zu oft gebrochen worden. So oft, daß seine neue Platte „Knock Knock“ rein textlich zwar ausnahmsweise mal ausgesprochen positiv beginnt. Doch Zeilen wie „Let's move to the country / My travels are over / Let's move to the country / Just you and me“ würden sich bei den wenigsten Menschen so traurig anhören.

Nicht viel nützt es da, daß Callahan auf „Knock Knock“ zwei, drei Mal das Tempo ungewohnt anzieht oder eine Entwicklung vorantreibt, die vor vier Jahren begann, als er nicht mehr im heimischen Wohnzimmer aufnahm. Diesmal hat er sogar ein paar Streicher und einen Kinderchor engagiert. Das macht den Sound zwar voller, aber noch immer ist seine Duftmarke ein stillstehendes Schweben, bei dem die Silben scheinbar nicht mehr weggehen wollen, so schwer klingen sie nach, bis Callahan dann doch noch die nächste rausläßt. Nicht umsonst hat er mal erzählt, daß er betrunken sein muß, um sich zu trauen, den Gitarrenverstärker lauter aufzudrehen. Wenn es dann für seine Verhältnisse fast hektisch wird, singt er auch gleich, wie entschuldigend: „I don't know where I'm going.“

Bill Callahan gehört nämlich dem Vernehmen nach auch nicht zu der bedauernswerten Sorte Mensch, die im herkömmlichen Leben ganz normal ist, aber nur kreativ werden kann, wenn es um allzu trübe Seelenzustände geht. So was hört man von den Tindersticks, auch von Oldham hin und wieder, aber nicht von Callahan, von dem ehemalige Mitspieler erzählen, er verzieht selten eine Miene, von Lächeln gar nicht zu reden. Nein, der Mann ist nicht bedauernswert, dem geht es richtig echt schlecht. Es sei mal dahingestellt, ob ihn das ausdrücklicher qualifiziert als nur nachempfundene Pein, aber es hat auf jeden Fall dieselben Folgen, die es schon früher hatte: Eine Platte, die einen in ihrer großartigen Traurigkeit ständig über die Schultern schauen läßt, ob da jemand steht, der einen beim Voyeursein beobachtet. Denn auch wenn Callahan in „I Could Drive Forever“ verkündet, er würde jetzt ausnahmsweise mal lieber selbst abhauen, das sei „the best idea I've ever had“, möchte man ihn immer noch eher hätscheln als hassen, den lieben, unverstandenen Jungen. Thomas Winkler

Bonnie Prince Billie: „I See a Darkness“ (Domino/Rough Trade)

Smog: „Knock Knock“ (Domino/Rough Trade)

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