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Zwischen den RillenMental gut drauf

■ Sportive Besinnung auf die Stärken: Red Hot Chili Peppers und Chemical Brothers

Die These könnte sein: Ein eingeführtes Produkt verkauft sich immer. Irgendwie. Da können tote Gitarristen, Motorradunfälle, öffentlich diskutierte Drogenprobleme, einige Jahre Nichtvorhandensein mit Auflösungsgerüchten und eine reichlich durchschnittliche Schweinerockplatte als letzte Äußerung auch nichts dran ändern: Wenn die Red Hot Chili Peppers ein neues Produkt erstellen, hat man gefälligst interessiert zu sein. Schon der Vergangenheit zuliebe.

Als wäre 1991 erst vor fünf Minuten zu Ende gegangen, beginnt „Californication“ mit einer funky Bassline von Flea, die sich auch auf „Blood Sugar Sex Magik“ hätte finden lassen können. Das war die Platte, mit der sie sich einen Haufen Geld, Größenwahn und Heroinsucht eingehandelt haben. Die momentan in den einschlägigen TV-Kanälen rotierende Single „Scar Tissue“ erinnert in Sound und Melodieführung verteufelt an „Under the Bridge“, ihren bisher größten Hit.

Kurz und gut: Die Chili Peppers sind zurück, und es hat schon schlechtere Nachrichten gegeben. Für eine Band aus Surfern und Fitneßstudio-Abonnenten gilt natürlich die alte Sportreporterweisheit: Sich auf die eigenen Stärken besinnen. Tatsächlich finden sich hier einige unglaublich leicht hingetupfte Hits zwischen halbwegs ernst gemeintem Rock und lokker-flockigem Funk. Also ziemlich genau das, was sie schon immer am besten konnten. Das bedeutet zwar auch, das Naheliegende zu tun, aber das Naheliegende ist oft Pop, und das ist gut so.

Überraschend aber ist es nicht. Überraschend ist, daß man sich das durchaus mit Freude anhören kann, daß es nur so dahinfließt und zufrieden macht und einen von sonnigen Tagen in Venice Beach träumen läßt – und dabei komischerweise irgendwie doch zeitgemäß klingt. Das ist sicherlich auch das Verdienst von Rick Rubin. Er produziert sie zwar nun schon seit Urzeiten, aber die Peppers selbst haben ihm die vielleicht besten Songs ihrer Karriere zur Verfügung gestellt. Zwar gibt es auch Ausfälle wie das zähe „Parallel Universe“ oder das ungelenke „Purple Stain“, aber ansonsten hat hier fast jedes Lied die Sorte Melodie, die einem schnell auf den Lippen liegt und dann partout nicht mehr aus dem Kopf will.

Für eine Band, die sonst zum guten Teil davon lebte, noch das belangloseste Stück mit hektischer Energie zur erinnerungswürdigen Portion heißer Luft aufzublasen, ist das durchaus eine Qualitätssteigerung. Zwar wird aus Anthony Kiedis in diesem Leben sicherlich kein Dylan mehr, aber als Grundlage, halbwegs würdevoll zum Altrocker zu werden, dürfte es reichen.

Konsolidierung ist auch das Stichwort für Tim Rowlands und Ed Simons, die als Chemical Brothers die Big Beats miterfanden. In Interviews zu ihrer aktuellen Platte „Surrender“ haben sie verlauten lassen, daß man bisher HipHop mit Techno verschmolz, ab jetzt aber „kompakte Musik“ machen will. Man kann das übersetzen: Bisher ging es darum, die Welt zu verändern, neuerdings um die Interpretation, die sich am besten anhört.

So sind aus den kalten Chemical Brothers liebenswerte Elektronikbastler geworden, deren Musik heimelige Gefühle weckt. Sie selbst meinen, dies sei ihre Platte, die „am menschlichsten klingt“. So könnte „The Sunshine Underground“ ein Stück für Dudelsack sein, aber die Elektronik klingt nicht wie ein Dudelsack, sondern wie Elektronik, die sich bemüht, wie ein Dudelsack zu klingen. Man sieht also: Auf der dritten Platte der Chemical Brothers, in der somit dritten Produktumlaufphase des Marketingskonzepts Big Beat, hat sich einiges an Metaebenen eingeschlichen. Die allerdings spielen kaum mehr eine Rolle, weil „Surrender“ einfach eine nette, mitunter sogar fröhliche Platte ist, mit akustischen Gitarren sogar und Romantik und allem Drum und Dran und kaum noch großen Beats, so daß sie sich flott und ohne Nebenwirkungen weghören läßt. Wieder einmal leihen Gaststars wie Noel Gallagher, Bernard Sumner und Hope Sandoval ihre Stimme, werden aber nicht immer in ungewohnte Zusammenhänge gepreßt. So könnte „Dream On“, das Jonathan Donahue besungen hat, problemlos auch von dessen eigener Band Mercury Rev stammen, denn Rowlands und Simons haben vergessen, richtig böse Beats drunterzumischen.

Trotzdem wird allerorten versucht, „Surrender“ als etwas bisher nicht Dagewesenes zu besprechen – und wenn sie, wie im Rolling Stone, die „erste Dance-Music-Platte über das Ende der Tanzmusik“ sein soll. Das hört sich zwar gut an, ist aber doch ziemlich diskussionswürdig. Wenn es stimmt, daß die Chemical Brothers den Dancefloor für Rock empfänglich gemacht haben, haben sie ihn jetzt Richtung Pop geöffnet. Und: War das nicht schon passiert?

Die Chemical Brothers haben schon einen Grammy gewonnen, mit „Surrender“ mutieren sie nun zur Institution. Da darf man keine Innovationen mehr erwarten, aber dafür solides Handwerk. Ein Zustand also, den nach einer Durststrecke nun auch die Chili Peppers wieder reinstalliert haben.

Der Erfolg, das soll hier im Gegensatz zur Eingangsthese mal leicht romantisch festgestellt werden, ist nicht wirklich planbar. Daß gekauft wird, was immer Chemical Brothers oder Red Hot Chili Peppers veröffentlichen, hat doch vor allem mit Sentimentalität zu tun, einem durchaus begrüßenswerten Gefühl. Thomas Winkler

Chemical Brothers: „Surrender“ (Virgin) Red Hot Chili Peppers: „Californication“ (WEA)

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