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Zwischen Widersprüchen und KIDigitale Patientenakte für alle gestartet

Die elektronische Patientenakte gibt es ab jetzt bundesweit für die gesetzlich Versicherten. Doch die Kritik ist nicht ausgeräumt.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, kommt sie jetzt voran? Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Am Dienstag hat der bundesweite Start der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprochen haben, begonnen. In den kommenden Wochen sollen sich medizinische Einrichtungen bundesweit an das System anschließen. Unter anderem Befunde, Diagnosen, Ergebnisse bildgebender Verfahren und Medikationen sollen dann pa­ti­en­ten­be­zo­gen in der ePA festgehalten werden, sodass andere Be­hand­le­r:in­nen darauf zugreifen können.

Ursprünglich hatte der Start der neuen Technologie schon vor zwei Monaten stattfinden sollen, nach einer Testphase in drei Pilotregionen. Doch zum Jahreswechsel wiesen Ex­per­t:in­nen des Chaos Computer Clubs (CCC) auf ernstzunehmende Sicherheitslücken hin. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verschob daraufhin den bundesweiten Start. Ihm zufolge sind die Probleme nun behoben – auch wenn Si­cher­heits­ex­per­t:in­nen Zweifel daran äußern.

Die Nutzung der Akte soll für Leistungserbringer wie Krankenhäuser, Praxen und Apotheken zunächst freiwillig sein und erst ab Oktober Pflicht. Pa­ti­en­t:in­nen­sei­tig haben laut Lauterbach rund 5 Prozent der Versicherten widersprochen.

„Der Patient wird mündiger, weil er seine eigenen Befunde und Krankheits­ergebnisse sehen kann“, sagte Lauterbach zum bundesweiten Start der ePA. Er verwies außerdem auf eine „wesentliche Verbesserung“ der Forschung. Gerade im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz gebe es hier viele Möglichkeiten.

„Die ePA hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung effizienter, sicherer und transparenter zu gestalten“, sagt Lucas Auer, Gesundheitsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Es sei jedoch wichtig, dass Pa­ti­en­t:in­nen eine informierte

Entscheidung für oder gegen die ePA treffen könnten. Doch die Aufklärung, insbesondere zu den möglichen Risiken der ePA, sei bislang zu kurz gekommen.

Unter anderem der CCC und Gesundheitsverbände wie die Deutsche Aidshilfe hatten darüber hinaus zum Start der Pilotphase gefordert, dass Ex­per­t:in­nen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft ermöglicht werden müsse, das System auf Sicherheitsrisiken zu testen und diese damit zu bewerten – etwa durch eine Offenlegung der Quelltexte.

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2 Kommentare

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  • Der CCC hat erneut eine Lücke gefunden. Sehr schwache Aussage von Herrn Lauterbach, dass es bei solchen Projekten immer Anlaufschwierigkeiten gäbe...



    Bei so sensiblen Danten, die ggf. ganze Berufslaufbahnen zerstören können, darf das aber nicht sein! Das kann in Testläufen vorab geklärt werden. Es ist ein Designfehler der Anwendung, wenn man auf "alle Daten" zugreifen kann. Das "alle" trifft weder auf eine Krankenkasse, auf eine Klinik oder auf eine Apotheke/Arztpraxis zu??

    Aber natürlich kann eine KI damit ganz vorzüglich gefüttert werden!!! Natürlich nur mit Daten der gesetzlich Versicherten.



    Die Privatpatienten müssen LEIDER darauf verzichten ;-)

    Der AG darf bspw. die Erkrankung seines AN nicht kennen. Die bisher bekannt gewordenen Lücken lassen da leider auf nichts Gutes hoffen!



    Und: Die Ärzte, Apotheken können leichter auf die Daten zugreifen bzw. sich legitimieren, als der Patient selbst!



    Schöne Selbstbestimmung! Der Fehler wird auch hier beim Patienten vermutet, nie beim (maroden) System...

  • "Gerade im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz gebe es hier viele Möglichkeiten."



    Da die Daten nicht anonymisiert sind, sondern nur pseudonymisiert, wird es für die KI nicht schwierig sein, aus den Daten auf das Individuum schließen zu können. Es ist nicht zu unterschätzen was damit machbar ist.



    Aber Hauptsache, die Pharmaindustrie kommt bequem an Massendaten.



    Allerdings sind die Daten von Privatversicherten zu kostbar dafür.



    Hony soi qui mal y pense.