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■ QuerspalteZwischen Rösteln und Bräteln

Fremden fällt beim Besuch von Thüringens „grünem Herzen“ schnell auf, daß die Koronar-Arterien der Einheimischen angefettet und steif sind. Da ist nicht viel mit grüner Umwaldung und frischer Luft, da schlabbert grauweiße Substanz im dichten Nebel. Kommen gar Bundesdelegierte zum konferieren, so sollten sie ihre Ernährungsgewohnheiten radikal um- und sich auf die hiesigen Eigenheiten einstellen. Die nämlich haben sich einen atavistischen Brauch der Informationsvermittlung bewahrt: An strategischen Punkten der Innenstadt geben Menschen in weißen Kitteln Rauchzeichen. Überall werden kleine Feuer aus angekokelter Buche gezündet und mit Teilen toter Tiere belegt.

Man wollte es nicht glauben, aber auch da, wo der Grüne sein Stimmkärtchen nach oben reißt, hatte sich nicht Demeter, sondern die Erfurter Bratwurst-Innung breitgemacht. Da, wo einst Dalien und Rosenstöcke einer internationalen Gartenausstellung Zier waren, erspähte man Frau Röstel mit Brätel. Oder war es eines ihrer vielen Duplikate? Egal, die stets lange Schlange vor dem Holzkohlegrill machte eine Ahnung vom neuen, etwas fettfingrigen Hedonismus der Grünen. Was auf dem Leipziger Parteitag die Zigaretten-Lounge von West war, das war diesmal das verwurstete Thüringer Hausschwein. Voilà – angeblich verging sich die komplette Führungsspitze am leckeren Röster.

Auch Joseph, Wolferl und Jürgi? Der Rauch biß so in den Augen, erschwerte die Observation. Eine gewisse Magenschwere zog sich jedenfalls durch alle Reden. Auch der Moderator litt an der Überdosis Kalorien. Vor der Strategiedebatte versprach er, die Redner würden ausgezogen. Ein Präfix zu viel. Nur Joseph vermittelte den Eindruck, er lebe von Liebe und Macht allein. Als altes Cleverle sprach er dann: „Und was ich euch sagen möchte. So eine Schweinerei wie mit Jürgen darf sich nicht wiederholen!“ Wie denn, was denn, hatte man ihm die letzte Wurst weggeschnappt? Magenvolles Mitleid im Saal. Markus Völker

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