piwik no script img

Zwingende Kollision

■ Joseph Pearsons überzieht haltbares 70s-Songwriting mit Loop-Legierungen

Es gibt für den gemeinen Hamburger normalerweise keinen zwingenden Grund, ausgerechnet nach Norderstedt zu pilgern. Doch heute abend könnte sich der Trip in die Peripherie durchaus lohnen. Dabei muss man Joseph Parsons nicht – wie es seine US-Promo-Biographie tut – gleich zur Songwriter-Antwort auf HipHop im Allgemeinen und Lauryn Hills Miseducation... im Besonderen „hochsterilisieren“ (Fußballer-Jargon), um seine Qualitäten fern des üblichen Einerleis der Männer mit akustischen Gitarren zu würdigen.

Die Texte des Mannes aus Pennsylvania auf seinem aktuellen, schlicht Joseph Parsons betitelten Album entsprechen noch am ehes-ten traditionell verhafteten Erwartungen, ob er nun bekennerhaft mahnend daherkommt (Face) oder einfach eine menschliche Tragödie einer „Late Last Night“ in New Orleans scharf beobachtet. Doch bettet er seine geschliffene Poesie aus der 70s-Songwriter-Schule so zwingend und verblüffend souverän zwischen Loops und Beats aus der modernen Studio-Küche, dass auch schon Vergleiche mit Massive und Morcheeba fällig waren.

Sein Debüt Lies... legte Parsons 1995 auf einem kleinen US-Indie-Label mit dem putzigen Namen Woof Records vor. Wie andere seiner Zunft auch gehört er allerdings zu den Propheten, die nicht so viel gelten im eigenen Land. Glücklicherweise gibt es aber gerade in hiesigen Breiten einige engagierte Kleinfirmen, die dann gerne aushelfen. So kam Parsons dann ausgerechnet beim schwäbischen Label Blue Rose unter, das sonst eher für gepflegten bis krachenden Roots-Rock steht. Schon mit seinem Labeldebüt 5:am konnte der Amerikaner dort einen gewissen Exotenstatus beanspruchen: Künstler, die sich auch von arabischen Gesangslinien beeinflussen lassen und trippige Off-Beats ausprobieren, hat Blue Rose sonst eigentlich nicht im Programm.

Dabei kann es Parsons auch knapp und klassisch. Der Song „Boy Next Door“ etwa sagt in ganzen 2 Minuten und 33 Sekunden fast alles, was es zur Angst in der Liebe zu sagen gibt. So stimmig die Einheit von Text und Musik auch ausfallen mag – mit Joseph Parsons ist nicht zuletzt ein herausragender Sänger zu entdecken, dessen Stimme brennt – und Schärfe und Geschmeidigkeit vereint. Mit diesem Organ könnte Parsons selbst mediokre Vorlagen noch auf ein gewisses Niveau heben, was in seinem Repertoire aber kaum nötig erscheint. Zumal er sich nicht zu schade ist, als Songwriter auch mal einen Schritt zurückzutreten, um ebenbürtigen Autoren den Vortritt zu lassen. Danach kann die Apokalypse ruhig kommen. Und der ganze Milleniums-Quatsch ist fast vergessen. Sogar in Norderstedt.

Jörg Feyer

Do, 2. Dezember, 20 Uhr, Music Star (bei Data Partner), Marktplatz 11, Norderstedt (U-Bahn Norderstedt-Mitte)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen