Zwickauer Neonazi-Terrorzelle: Mutmaßlicher Unterstützer in Haft
Am Sonntag wurde er festgenommen: Matthias D. gilt als der Wohnungsbeschaffer des Nazi-Terrortrios. Und ein NPD-Funktionär soll laut "FAS" Beate Zschäpe erst kürzlich beherbergt haben.
KARLSRUHE/BERLIN dpa | Ein Sondereinsatzkommando der Polizei in Sachsen hat am Sonntag den 36-jährigen Matthias D. wegen mutmaßlicher Unterstützung der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle festgenommen. Der Mann wurde am frühen Morgen an seinem Wohnort im Erzgebirgskreis (Sachsen) gefasst, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.
Matthias D. sei "dringend verdächtig, in zwei Fällen die terroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) unterstützt zu haben". Der Beschuldigte soll dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der ihm den Haftbefehl eröffnen werde.
Zudem durchsuchen Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) und sächsische Polizeikräfte in dem Landkreis drei Wohnungen, darunter die des Beschuldigten und die einer weiteren möglichen Unterstützerin, berichtete die Bundesanwaltschaft. Dem Vernehmen nach soll es sich bei dem Ort im Erzgebirgskreis um Johanngeorgenstadt handeln.
D. soll den Mitgliedern des NSU - Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe - zwei Wohnungen in Zwickau als dauerhafte Unterkunft überlassen haben. Eine Wohnung soll er im Mai 2001 angemietet haben, die andere im März 2008.
Um keinen Verdacht zu erregen, soll D. ab Juni 2003 mit Böhnhardt schriftliche Untermietverträge auf einen Aliasnamen des NSU-Mitglieds geschlossen haben. Er habe die Zwickauer Zelle dadurch unterstützt, "ein Leben unter falscher Identität zu führen und unentdeckt Terroranschläge verüben zu können", teilte die Karlsruher Behörde mit. D. soll die terroristischen Verbrechen der Vereinigung zumindest billigend in Kauf genommen haben, hieß es.
Nach Spiegel-Informationen stufen die Ermittler im Fall der Zwickauer Neonazi-Zelle inzwischen sieben Personen als Beschuldigte ein. Neben Matthias D. beschuldigt die Bundesanwaltschaft nach Angaben des Magazins auch Mandy S. aus Sachsen wegen Unterstützung des NSU.
Ob auch ihre Wohnung am Sonntag durchsucht wurde, war zunächst unklar. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts hat Mandy S. die mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach deren Untertauchen 1998 für mehrere Monate in der Wohnung ihres damaligen Freundes in Chemnitz einquartiert. Die Frau habe die Vorwürfe in einer polizeilichen Vernehmung mittlerweile eingeräumt.
NPD-Mitglied unter Verdacht
Auch ein hohes NPD-Mitglied steht nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) weiterhin im Verdacht, die Zwickauer Terror-Zelle unterstützt zu haben. Es handelt sich demnach um Patrick Wieschke, der als "Bundesorganisationsleiter" im Präsidium der rechtsextremen Partei sitzt. Das Blatt beruft sich in seinem Bericht auf Sicherheitskreise.
Der Mann aus Eisenach soll die einzige Überlebende des Zwickauer Trios, Beate Zschäpe, in der Nacht zum 3. November beherbergt haben - einen Tag vor dem letzten Banküberfall der später in einem ausgebrannten Wohnmobil gefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach. Laut Sicherheitskreisen haben Polizeihunde bei Wieschkes Wohnung angeschlagen, schreibt die FAS.
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft wollte zum im FAS-Bericht genannten konkreten Fall keine Angabem machen.
Wieschke selbst hatte bereits Anfang Dezember zu schon damals kursierenden entsprechenden Berichten Stellung genommen. In einer Pressemitteilung des Thüringer Landesverbandes, die auf der Internetseite der NPD zu finden ist, wird er zitiert mit den Worten, er habe noch nie ein einziges Wort mit Zschäpe gewechselt. "Ich habe diese Frau Mitte der 90er Jahre zwar mal gesehen, aber niemals persönlichen Kontakt zu ihr gepflegt, geschweige denn einen solchen nach ihrem Untertauchen gehabt." Das habe er in einer Vernehmung auch den Ermittlern gegenüber erklärt.
Wie die FAS weiter berichtet, soll der inhaftierte ehemalige Thüringer NPD-Funktionär Ralf Wohlleben bis vor kurzem engen Kontakt zur Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" gehabt haben. "Er war bis zuletzt nah an den Dreien dran", zitiert die Zeitung aus Sicherheitskreisen.
Die Ermittlungen gegen Wohlleben gestalteten sich allerdings schwierig, da die Dateien auf seinen beschlagnahmten Computern aufwendig verschlüsselt seien. Wohlleben soll 2001 oder 2002 eine Waffe besorgt haben, die der inhaftierte Holger G. nach Zwickau zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gebracht haben soll.
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