Zweitligist RB Leipzig muss aufsteigen: Selbermacher Ralf Rangnick
Bei RB Leipzig ist der Aufstieg zur Chefsache geworden. Beim Gastspiel beim FSV Frankfurt gibt Ralf Rangnick sein Comeback auf der Trainerbank.
Der rasante Ritt steht exemplarisch für die Ambitionen des Red-Bull-Ablegers: Sollte am Ende dieser Zweitligasaison der Aufstieg gelingen, wären die Rasenballsportler binnen sieben Jahren aus der Ober- bis in die Bundesliga geklettert. Den letzten Schritt hat der 57-Jährige zur Chefsache gemacht, wenn er nach vierjähriger Abstinenz wieder auf dem Trainerstuhl sitzt.
Denn als die Wunschkandidaten, unter anderem Thomas Tuchel, nicht zu bekommen waren, entschied der inzwischen bis 2019 gebundene Sportdirektor flugs, es lieber selbst zu machen. Eine 1-b-Lösung passt weder zu ihm noch zu den Ambitionen des Sponsors. Welche Spieler mit den Brause-Millionen gekauft und welche aufgestellt werden – Rangnick entscheidet nun beides.
Insofern ist spannend, wem er in seinem ungewöhnlichen 4-2-2-2-System mit je zwei Sechsern, Spielmachern und Stürmern vertraut, wenn am heutigen Samstag (15.30 Uhr) im Stadion am Bornheimer Hang beim FSV Frankfurt die erste Aufgabe ansteht. Gerade die Auswärtsbilanz will Rangnick aufpolieren und gibt als Credo aus: „Wir sind die Piratentruppe, wir sind zum Entern hier.“ Nicht mal ein Tor brachte Leipzig in der Vorsaison gegen den Frankfurter Stadtteilverein (0:0, 0:1) zustande.
Nach solchen Negativerlebnissen mischte sich der Sportdirektor gern direkt in die Belange von Trainer Alexander Zorniger ein; dann kam sein speziell in Hoffenheim entwickeltes Allesmacher-Gen hervor. Erst nach seinem Burn-out auf Schalke lernte er, auch zu delegieren. Insofern startet jetzt ein spannender Selbstversuch, inwieweit er die Doppelbelastung bewältigt und sich gleichzeitig selbst beschützt.
Investition über Marktwert
Wie zum Beleg erzählt Rangnick, dass ihn an diesem Wochenende in Frankfurt gleich wieder mehrere Spielerberater treffen wollten. Vor fünf Jahren hätte er sich gewiss irgendwo ein Zeitfenster freigeschlagen. Nun gilt: „Ich habe ihnen allen abgesagt.“
Und hat er für fast 16 Millionen Euro nicht schon genug Hochkaräter für seinen Klub geholt? Stürmer Davie Selke (Werder Bremen) und Innenverteidiger Atınç Nukan (Besiktas Istanbul) gelten als Attraktionen im Unterhaus. Beide hat Rangnick in persönlichen Gesprächen überzeugt, freiwillig abzusteigen.
Zusammen mit Willi Orban (1. FC Kaiserslautern) oder den zuvor nach Salzburg verliehenen Marcel Sabitzer und Massimo Bruno stellen sie die sogenannten Mehrwertspieler, die eine Investition über Marktwert rechtfertigen sollen. So wie das im Kraichgau bei Carlos Eduardo, Luiz Gustavo oder Roberto Firmino so prächtig funktioniert hat. Klappt das auch bei den Sachsen?
In Leipzig arbeiten viele Personen, die der ehrgeizige Antreiber aus dem schwäbischen Backnang aus seinem alten Umfeld kennt. Zu ihnen zählt unter anderem der frühere Sportbild-Chefreporter Florian Scholz, der neuerdings die PR-Strategie lenkt. Dazu gehört, die wirtschaftlichen Kenndaten nicht mehr in einer Blackbox zu verstecken. Bei ungefähr 18 Millionen Euro soll der Lizenzspieleretat liegen. Stimmt diese Summe, dann verdienen noch nicht alle Zweitligaprofis an diesem Standort erstklassig.
Unbeliebtes Millionenensemble
Überhaupt kann Rangnick ganz fuchsig werden, wer sein in Teilen der Fanszene schwer in Verruf stehendes Millionenensemble (Durchschnittsalter 23,6 Jahre) ganz oben aufs Favoritenschild hebt: „Es wird ja gerne der Eindruck erweckt, dass unser Aufstieg nur noch eine Pflichtübung darstellt.
Wenn wir uns nur darauf verlassen, dass wir gute Einzelspieler haben, wird es vermutlich am Ende nicht reichen.“ Daher erwähnt er die Eigenschaften des Sensationsaufsteigers SV Darmstadt 98 (“Teamspirit, Wille“), um die Sinne der seinen zu schärfen; weil in dieser Spielklasse eben doch leicht Mentalität über Qualität obsiegt.
Trotz seiner Erfahrung: Etwas ungewohnt wird die Rückkehr in die alte und neue Rolle für Rangnick schon werden: „Ich gehe davon aus, dass eine Stunde vor dem Spiel ein Kribbeln kommt.“ Ähnlich wie an der österreichischen Seilrutsche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“