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Zweistaatenlösung in NahostPotenzial in Richtung Frieden

Lisa Schneider
Kommentar von Lisa Schneider

Netanjahu lehnt die Zweistaatenlösung ab. Für Regierungschefs des Westens bleibt sie die einzige Perspektive. Sie sollten den Druck erhöhen.

Für die Zweistaatenlösung: Antony Blinken aus den USA zu Besuch beim palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in Ramallah am 10.01.2024 Foto: Evelyn Hockstein/reuters

A m Sonntagabend hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut seine Ablehnung der Zweistaatenlösung deutlich gemacht: Es werde mit ihm keinen Kompromiss geben bezüglich „Israels Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans“.

Dass Israel großen Wert auf Sicherheit legt, ist verständlich, nicht nur nach dem 7. Oktober, sondern auch nach all den kleinen Terroranschlägen, die das Land seit ewig erschüttern. Doch der israelische Regierungschef ignoriert, dass Gewalt ein Kreislauf ist und dass blinde Härte nicht unbedingt zum Ergebnis führt. Wer nichts zu verlieren hat – und das trifft ob der trostlosen politischen Lage, der umfassenden Perspektivlosigkeit und der bröckelnden Wirtschaft auf immer mehr Palästinenserinnen und Palästinenser zu –, ist anfälliger für radikales Gedankengut, für das Töten anderer Menschen und das Opfern des eigenen Lebens.

Dass der Konflikt im Nahen Osten seit Jahren nur noch verwaltet wird – mit wenig Bereitschaft zur Lösungsfindung auf beiden Seiten –, zeigt sich auch in Zahlen: Die palästinensische Autonomiebehörde, trotz gewaltvoller Vergangenheit im Vergleich zur Hamas moderat und in Teilen ein Kooperationspartner Israels, genießt im Westjordanland kaum noch Zustimmung. Gäbe es Wahlen, würde die Hamas sie wohl haushoch gewinnen.

Am Ende sind es dennoch recht wenige Menschen, die bereit sind, ihr ganzes Leben einer radikalen Ideologie zu schenken. Die Mehrheit möchte arbeiten, eine Wohnung kaufen, heiraten, Kinder und Enkelkinder bekommen – eine Perspektive haben. Für die meisten Palästinenserinnen und Palästinenser gehört dazu auch ein eigener Staat.

Dieses Potenzial für einen Weg in Richtung Frieden darf nicht ignoriert werden. Die Verbündeten Israels – vor allem Deutschland und die USA – müssen Netanjahu mithilfe der Diplomatie Grenzen aufzeigen. Die Zweistaatenlösung gilt ihnen noch immer als unveränderliches Prinzip im Nahen Osten. Der anhaltenden Abwendung ihres Verbündeten von diesem Prinzip müssen sie gegensteuern.

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Lisa Schneider
Redakteurin für Nahost
Redakteurin für Westasien & Nordafrika.
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6 Kommentare

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  • Die Zweistaatenlösung ist mit dieser Regierung nicht realisierbar. Die Menschen in Israel werden verstehen müssen das Rechte, orthodoxe Fanatiker und militante Siedler nicht der Königsweg für Israel sein können.

    Das die jetzt fast 30 Jahre dauernde Politik Netanjahus letztendlich in diese Katastrophe geführt hat muß jedem klar sein der sich den Frieden wünscht. Die agressive Siedlungspolitik mit all ihren Übergriffen muß beendet werden. Das Gewalt, Mauern und Zäune nichts bringen ist eindrücklich bewiesen. Im Gegenteil. Diese Gewalt hat dieses Massaker heraufbeschworen.

    Die Hamas soll und wird ihren Kampf einstellen müssen. Sie ist nicht legitimiert die Menschen Palästinas zu vertreten. Sie ist und bleibt eine Terrororganisation, finanziert von religiösen Spinnern.

    Das ist ein schmerzhafter Weg für beide Seiten der noch viel Leid bringen wird. Aber anders wird es keinen Frieden in Israel und Palästina geben.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Tom Lehner:

      ""Die Zweistaatenlösung ist mit dieser Regierung nicht realisierbar.""



      ==



      Die orthodoxen israelischen Siedler wurden 2005 gezwungen Gaza zu verlassen. Von diesem Zeitpunkt an war Gaza und die Palästinenser die dort wohnen souverän - das bedeutet, das die Palästinenser dort frei waren den zukünftigen Staat Palästina zumindest in den Anfängen zu gestalten und sich darauf zu konzentrieren, wie sich eine Verbindung zwischen Gaza und Westjordanland organisieren lässt.

      Solange wie - - sie nennen es religiöse Spinner -- den Palästinensern eine Ideologie des Hasses eingeträufelt wird ist es schwierig, nicht nur eine politische Lösung zu entwickeln sondern auch legitimierte Ansprechpartner auf der Seite der Palästinenser zu finden.

      • @06438 (Profil gelöscht):

        Die Palästinenser waren nicht souverän. Alle Grenzen wurden von Israel überwacht und jegliche wirtschaftliche Entwicklung durch Strangulierung von Handel ausgeschlossen.

  • Ebenso müssten die Verbündeten der Hamas Druck auf diese ausüben. Das wird der Iran jedoch wohl kaum machen, jetzt wo alles so gut für ihn läuft.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Dass Israel großen Wert auf Sicherheit legt, ist verständlich, nicht nur nach dem



    7. Oktober, sondern auch nach all den kleinen Terroranschlägen, die das Land seit ewig erschüttern.""



    ==



    Eigentlich mag ich understatement - tief stapeln um einer Aussage mehr Gewicht zu verleihen.

    Ob es aber angebracht ist von ""kleinen""Terroranschlägen zu sprechen?



    Hamas hat ungefähr 13.000 Raketen seit dem 7.10 auf Israel abgeschossen. Der letzte Waffenstillstand mit Geiselaustausch wurde auch durch einen Hamas Anschlag & Mord an einer Bushaltestelle in Israel beendet. Die Kriege oder größeren Anschläge, die Hamas nach der Räumung israelischer Siedler aus Gaza im Jahr 2006, 2008, 2014, 2019 und 2021 ausgelöst hat bestätigen das Hamas erfolgreich war, Gaza in eine Terrorfestung umzubauen.

    Grundlage für eine politische Lösung kann nur eine komplette Entmilitarisierung von Gaza und des Westjordanlandes sein und die Schaffung einer wirtschaftlichen Perspektive für die Bewohner Gazas und des Westjordanlandes.

    Als Insel ohne ungehinderten Kontakt nach Israel und Ägypten wäre Gaza nicht überlebensfähig - genausowenig wie das Westjordanland, welches den Palästinensern vorbehalten bleiben sollte.

    Ohne erfolgreiche militärische Kontrolle ist eine Entmilitarisierung als Grundlage für einen Waffenstillstand, aus der eine politische Entwicklung folgt, unmöglich.

  • Dass ein israelischer Regierungschef in Anbetracht dieser Bedrohungslage kein "Messer an der Kehle" seines Staates haben möchte, ist sehr verständlich. Israel hätte dann kein Vorfeld mehr. Das gesamte Land könnte flächendeckend beschossen werden.



    Das Wohl von Land und Volk einer so feindseligen Nachbarschaft zu überlassen, ist eigentlich nicht zumutbar.

    Trotzdem ist dieser Ist-Zustand nur ein Weg zu noch mehr Krieg. Worin könnte sonst das israelische Zugeständnis bei einer Kompromisslösung bestehen?



    Man müsste glaubwürdige Sicherheitsgarantien Garantien schaffen...nur wer könnte und sollte die geben? Wer tut sich das an?