Zweimal geräumt: Häuserkampf in Horn
Eine fünfköpfige Gruppe zieht in die leer stehende historische Villa Behnke. Die Polizei räumt, zum Schluss mit Großaufgebot.
Einmal auf die sanfte und einmal auf die harte Tour: Die Polizei hat am Samstag zwei Hausbesetzungen nach relativ kurzer Zeit beendet – beide im selben Haus. Eine fünfköpfige Gruppe des Netzwerks Recht auf Stadt hatte zweimal die Villa Behnke an der Horner Landstrasse 369 besetzt. Das historische Haus am idyllischen Horner Berg der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga /GWG steht laut Angaben der Besetzer seit mindestens zwölf Jahren leer, gelegentlich übernachten dort Punks.
Zum ersten Mal war die Gruppe am Morgen in das intakte Gebäude eingedrungen. Die Aktivisten wollen im Parterre einen Stadtteilreff und im ersten und zweiten Stock in den großen Sälen und Ex-Schlafgemächern der Villa ein Wohnprojekt errichten.
Nachbarn alarmierten die Polizei, weil sie eine Punk-Invasion fürchteten. Acht Streifenwagen rückten mit einem Schlüsseldienst im Gepäck an und setzen die Gruppe fest. Die Polizisten erteilten den Besetzern Platzverweise, sodass die Besetzer abrückten. „Das ist das mildeste Mittel“, sagte der Einsatzführer, der sichtlich zufrieden war, die Aktion ohne großen Stress beendet haben zu können.
Doch die Gruppe zeigte Hartnäckigkeit und kehrte am Nachmittag zurück. Nach dem Ende der Anti-Verfassungsschutzdemo konnten Unterstützer mobilisiert werden, sodass sich beim erneuten Eintreffen der ersten Streifenwagen rund 50 Sympathisanten vor dem Gebäude versammelt hatten.
Diesmal ging die Einsatzleitung streng rechtsstaatlich vor. Bevor der Versuch unternommen wurde, in das Haus einzudringen, besorgten die Beamten einen Strafantrag der Eigentümerin Saga, zeigten streckenweise sogar Verständnis für die Aktion, weil Leerstand unhaltbar sei. Über Lautsprecher informierten die Besetzer über ihre Ziele. „Ich nenne das nicht Hausfriedensbruch, wenn das Gebäude seit 20 Jahren leer steht und wir es nutzen“, sagte der Sprecher. „Wenn die Saga keine Verwendung für das Gebäude hat, bieten wir an, es zu übernehmen.“
Doch dann kam die harte Tour: Zwei Hundertschaften der Polizei mit vier Wasserwerfen, zwei Räumpanzern und einer Festnahmeeinheit fuhren auf. Die Unterstützer vor der Villa wurden eingekesselt. Obwohl eine Spontandemo angemeldet worden war, ließ die Polizeiführung den Kessel bestehen, weil es sich ihrer Ansicht nach um eine unangemeldete „Ansammlung“ gehandelt habe. Vermummte Beamte der Festnahmeeinheit stürmten in die Unterstützergruppe. Es gab mindestens vier Verletzte, festgenommen wurde niemand.
Eine Kooperation mit der Polizei erschien dem Demo-Anmelder unmöglich, er legte sein Mandat nieder, da ständig mit dem Einsatz von Zwangsmittel und Wasserwerfern gedroht wurde. Daraufhin drängte die Polizei die Unterstützer Richtung Innenstadt ab und begann mit der Räumung der Villa.
Eine halbe Stunde brauchte die Polizei, um die Haustür zu knacken und über Leitern einzudringen. „Wir hatten lange keine Hausbesetzung mehr und sind ein wenig aus der Übung gekommen“, sagte Polizeisprecher Mirko Streiber. Fünf BesetzerInnen wurden in der Villa angetroffen und in Gewahrsam genommen, bevor der Staatsschutz das Haus inspizierte. Den Häuserkampf-AktivistInnen droht nun ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch, wenn die Saga ihren Strafantrag nicht zurückzieht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste