Zweijähriges Teilzeit-Modell: Kritik an Schröders Pflege-Plan
Die Pläne von Familienministerin Schröder (CDU) für ein Teilzeit-Modell zur Pflege Angehöriger sind auf Bedenken gestoßen. Die SPD warnt vor einer "Falle" für Frauen, die Grünen vor Abwälzen der Verantwortung.
HAMBURG afp/ dpa | Der SPD-Sozialpolitiker Karl Lauterbach hat die Pläne von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) zur Einführung einer zweijährigen Pflege-Teilzeit scharf kritisiert. "Das ist eine Falle für jede berufstätige Frau", sagte der gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dem "Hamburger Abendblatt". Schröders Vorstoß sei "typisch für die Politik der CDU", ergänzte Lauterbach. "Frauen werden vermeintlich gefördert, sollen in Wahrheit aber zurück an den Herd gebracht werden."
Frauen, die zwei Jahre lang nur halbtags arbeiteten, setzten womöglich ihre Karrierechancen aufs Spiel und riskierten damit, dauerhaft auf einem niedrigeren Gehaltsniveau zu bleiben, bemängelte Lauterbach. "Ich sehe das Risiko, dass viele am Ende sogar ganz ausscheiden."
Schröder will Berufstätige bei der Pflege ihrer Angehörigen unterstützten und dazu einen Rechtsanspruch auf eine zweijährige Pflegezeit einführen. Wer zwei Jahre halbtags arbeitet, soll zunächst 75 Prozent seines Gehaltes weiter bekommen. Anschließend sollen die Arbeitnehmer wieder voll in den Beruf einsteigen. Allerdings bekommen sie weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts ausgezahlt und zwar so lange, bis das Gehalts- und Arbeitszeitkonto wieder ausgeglichen ist.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt lehnte weitere Belastungen für die Unternehmen ab. "Es entsteht ein Kostenrisiko für Betriebe, wenn Arbeitnehmer ihr Unternehmen verlassen, bevor die durch die Pflegezeit unterbliebene Arbeit nachgeholt ist", sagte er. Die Wirtschaft setze "auf flexible Arbeitszeitmodelle und nicht auf gesetzliche Regulierung". Ähnlich äußerte sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Der DGB sprach von einer "grundsätzlich guten Idee", meldete aber Gesprächsbedarf an.
Den Linken geht der Vorstoß nicht weit genug. Angehörige müssten die Möglichkeit haben, zeitlich befristet ihre Berufstätigkeit gänzlich ruhen zu lassen, sagte deren Abgeordnete Kathrin Senger-Schäfer. Zudem müsse es einen Anspruch auf Lohnersatzleistungen geben. Aus Sicht der Grünen stimmt an Schröders Vorschlag "so gut wie nichts". Schröder wolle die Pflege "wieder auf den billigsten Pflegedienst abwälzen, nämlich die Familien", kritisierte die Grünen-Expertin Elisabeth Scharfenberg.
Lob für ihre Initiative bekam Schröder vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Dieser mahnte jedoch an, pflegende Angehörige finanziell nicht schlechter zu stellen als Erziehende in der Elternzeit. Die Deutsche Hospiz Stiftung begrüßte die Pläne grundsätzlich, forderte aber auch zusätzliche Mittel.
Caritas-Präsident Peter Neher bedauerte, dass der Vorschlag "allein die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber belastet und keinen Beitrag der Solidargemeinschaft vorsieht". Der Präsident des Deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus, begrüßte den Vorstoß der Familienministerin im Grundsatz. Der Staat dürfe aber nicht den Eindruck erwecken, als wäre damit alles erledigt. Der drohende Mangel an geschulten Pflegekräften lasse sich nicht mit Laien ausgleichen, sagte er der "Saarbrücker Zeitung".
Schröder verteidigte ihr Pflegezeit-Modell. Zugleich sagte sie am Donnerstag in der ARD, ihr Haus rechne gerade ein Versicherungsmodell durch, das Risiken ihres Modells für die Unternehmen abfedern soll. Schröder hatte am Mittwoch vorgeschlagen, Berufstätige bei der Pflege ihrer Angehörigen mit einem Rechtsanspruch auf eine zweijährige Pflegezeit unterstützen zu wollen.
Schröder sagte zu den Vorwürfen, ihr Pflegemodell koste die Unternehmen zu viel: "Der Faktor Arbeit wird nicht wirklich verteuert." Von den Arbeitgebern werde nicht verlangt, dass sie mehr Geld zahlen müssten. Das Gehalt werde später wieder "reingeholt".
Schröder räumte im ARD-Morgenmagazin ein, dass für die Unternehmen ein Risiko bestehe: "Was machen wir, wenn die Mitarbeiter doch nicht nach der Pflegezeit zurückkehren?" Diesen Fall lasse sie gerade als Versicherungsmodell durchrechnen. "Wir brauchen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, dass man sich gegen dieses Risiko absichert", sagte die Ministerin. Nach ihren Angaben müsste der Arbeitgeber die Versicherungspolice übernehmen. "Da man aber davon ausgehen kann, dass die meisten Arbeitnehmer zurückkehren, wäre das im vertretbaren Rahmen." Die Ministerin kündigte an, in Modellprojekten kurzfristig ihr Pflegeteilzeitmodell zu testen. "Danach werde ich möglichst schnell einen Gesetzentwurf vorlegen", sagte sie.
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