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Zwei Milliarden für den BundeshaushaltDie Kassen pflegen den Staat

Zwei Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds werden in den Bundeshaushalt fließen. Finanzminister Schäuble (CDU) wollte viel mehr abbekommen.

Die Kassen wollen ihr Sparschwein nicht schlachten. Bild: dpa

BERLIN rtr | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erhält zur Haushaltssanierung zwei Milliarden Euro aus den Reserven der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Summe ist damit allerdings deutlich niedriger als von dem CDU-Politiker und Koalitions-Haushältern angestrebt. So konnte Gesundheitsminister Daniel Bahr nach Angaben aus Regierungskreisen Kürzungen bei den übrigen 14 Milliarden Euro an Bundeszuschüssen abwehren.

Diese dienen zur Finanzierung sogenannter versicherungsfremder Leistungen wie etwa die beitragsfreie Mitversicherung für Kinder und das Mutterschaftsgeld. Schäuble hatte erwogen, auch diese Gelder für die nächsten Jahre zu verringern. Zudem erhält Bahr Millionenzuschüsse, um die von der Koalition geplante, private Pflege-Zusatzversicherungen zu fördern.

Sprecher von Finanz- und Gesundheitsministerium bestätigten, dass Schäuble und Bahr zu allen Punkten eine Einigung erzielt hätten, nannten aber keine Details. Bei den zwei Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds an Schäuble handelt es sich um einen Betrag, der 2010 der GKV einmalig zugestanden wurde, um für Geringverdiener bis 2014 die befürchteten Zusatzbeiträge abzufedern. Allerdings wird das Geld wegen der guten Finanzlage nun wohl nicht benötigt.

Die gesetzliche Krankenversicherung verfügt dank der guten Konjunktur und den Spargesetzen der Regierung über Rücklagen von 20 Milliarden Euro. Diese sind je zur Hälfte bei den Kassen selber und beim Gesundheitsfonds aufgelaufen. Ein Teil davon ist allerdings für andere Zwecke gebunden.

Diskutiert wird in der Regierung auch über eine moderate Senkung des Beitragssatzes, um die Versicherten an den Überschüssen zu beteiligen. Die FDP will aber lieber die Praxisgebühr abschaffen. Auch die Pharmaindustrie und die Kliniken haben ein Auge auf die Kassen-Überschüsse geworfen.

Debatte über Praxisgebühr

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, sowohl zu möglichen Beitragssenkungen wie auch zur Praxisgebühr seien noch keine Entscheidungen gefallen. Minister Bahr sei jedoch der Auffassung, dass eine Abschaffung der Zehn-Euro-Gebühr eine spürbare Entlastung für die Versicherten bringen würde.

Patienten und Ärzte ärgere die Abgabe, da sie bürokratisch ausgestaltet sei und zudem nur eine sehr geringe Steuerungswirkung der Arztbesuche habe. Es würden daher auf Fachebene mehrere Vorschläge und Varianten geprüft und gerechnet. Auf der Grundlage fänden dann in der Koalition Gespräche statt. Einen Zeitplan nannte der Sprecher nicht.

Der geplante Abzug von zwei Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds stößt beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) auf scharfe Kritik. Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach verweist in einem Reuters vorliegenden Brief an Schäuble darauf, dass diese Summe den Sozialausgleich für einkommensunabhängige Zusatzbeiträge finanzieren solle.

Eine Kürzung oder Streichung halte der DGB angesichts der konjunkturellen Unwägbarkeiten und einer möglicherweise breitflächigen Erhebung von Zusatzbeiträgen für sozial ungerecht. In dem Schreiben lehnt der DGB generell jede Kürzung der Steuerzuschüsse wie auch eine Senkung des Krankenkassenbeitrages ab. Die Rücklagen des Fonds sowie der Kassen sollten zur Überbrückung konjunktureller Schwankungen genutzt werden.

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14 Kommentare

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  • I
    Ingeborg

    Dass die Aufgaben berechtigt sind, ist doch keine Frage,

    nur müssen gesamtgesellschaftliche Aufgaben auch von allen bezahlt werden und nicht, dass man einen Großteil der Aufgaben allein die GR-Versicherten bezahlen lässt. Es muss gelten nach GG, was für anders berufständisch Versicherte auch gilt, z.B. für Versicherte in der Künstlersozialkasse, oder gibt es Gründe warum das GG für GR-Versicherte nicht gelten darf? :

    So das BVG 1987 Beschluß des Zweiten Senats vom 8. April 1987

    -2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83 und 142/84 -

    . . . Die Gefahr der Aushöhlung besteht insbesondere dann, wenn die Sonderabgaben unter Berufung auf Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern ausgedehnt und so ausgestaltet werden, daß sie an die Stelle von Steuern treten können. Wegen dieser Konkurrenz versagt es das Grundgesetz dem Gesetzgeber kompetenzrechtlich, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden. . .

    . . Der Gesetzgeber kann sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt. Ein Einsatz der Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates ist ausgeschlossen. . .

     

    Und mit einen Irrsinn einen anderen verniedlichen, von wegen Länderfinanzausgleich, macht es nicht besser.

  • A
    Andi

    @Ingeborg

     

    Vielen Dank für die Umfangreiche Link und Quellensammlung. Ich hab schon verstanden warum, Ihrer Meinung nach, Ungerechtigkeit herrscht, und auch die Zahlungsflüsse, auf die Sie dies stützen, verstanden. Die Vf Leistungen, die z.B. im Schwarzbuch aufgeführt sind entsprechen den Informationen, die ich mir nach dem Vortrag von OT zusammen gesucht habe.

    Bezüglich der Zuständigkeit der GRV, für die Vf Leistungen, habe Sie mich nicht ganz richtig verstanden. Ich meinte hiermit nich, dass es nur gerechtfertigt sei, die Abwicklung dieser Leistungen über die GRV zu machen, sondern auch die finanzielle Zuständigkeit. In meinem sozialstaats Verständniss, ist es richtig, dass z.B. der ehemalige DDR-Bürger auch aus der GRV finanziert wird, selbst wenn er sein Lebenlang nichts einbezahlt hat. Ich stimme Ihnen zu, dass es Punkte in den Vfl gibt, bei denen es richtig wäre, kritisch zu hinterfrage, ob sie tatsächlich aus Mitteln der GRV zu finanzieren sind. Im großen und ganzen jedoch halte ich die Finanzierung durch die GRV aus Gründen der Solidarität für richtig. Es ist schön, wenn andere Länder Europas dies nicht tun. Die hatten aber auch keine Wiedervereinigung, geschweige denn die völkerrechtlichen Auswirkungen diverser Kriege zu finanzieren.

    In meinen Augen gibt es deutlich ungerechtere Umverteilungen von Geld z.B. der Länderfinanzausgleich. Die Ausmaße, die dieser genommen hat, noch mit Solidarität zu begründen, fällt mir zunehmend schwer.

  • I
    Ingeborg

    20.03.2012 23:02 Uhr

    von Andi:

    Hier ist das deutlicher und mit Quellenangaben versehen:

    http://www.adg-ev.de/Dokumente/Infos/vfL10Januar.pdf

     

    oder auch das Schwarzbuch von Immanuel Schaich:

    http://www.adg-ev.de/Dokumente/Infos/Schwarzbuch%20RV.pdf

    Und hier mit Grafik:

    http://www.rentenreform-alternative.de/versichfremd.htm

     

    Es geht nicht darum, dass diese berechtigten Aufgaben nicht über die GRV abgewickelt werden sollen, sondern darum, dass sie seit 1957 noch nie komplett ersetzt wurden. Es sind eben keine Zuschüsse, sondern Ersatzleistungen des Bundes und zwar so mangelhaft, dass allein die Beitragszahler der GRV ein Großteil dieser gesamtgesellschaflichen Augaben bezahlen, Aufgaben, die um den nicht erstatteten Anteil Beamte, anders berufsständisch Versicherte und Politiker eben nicht mitbezahlt haben.

    2004 wurde das hier klar bemängelt:

    http://www.ak-sozialpolitik.de/doku/05_soziales/sgb_vi/seminare/2004_11_22_engelenkefer_vortrag.pdf

     

    Im Vortrag von OT ist genau zu hören, wo die Nachweise zu finden sind. Es fehlt seitens der Verwalter eine exakte Buchhaltung, die die nicht durch Beiträge gedeckten, versicherungsfremden Leistungen nachweisen, die hier in den weiteren Linkverweisen zu finden sind:

    http://www.rentenreform-alternative.de/versifr-buchf-vdr_antw.pdf

    http://www.youtube.com/watch?v=2Bm2uHKOUb4

     

    Und ist eine transparente, genaue Buchhaltung nicht eine grundlegende, den Beitragszahlern geschuldete Pflicht seitenes der GRV-Verwalter?

    Wie auch selbstverständlich der GKV?

    Die über hundert seitenlangen jährlichen Rentenberichte vertuschen mehr als sie aufklären.

    Die Zeitreihen der DRV sind da sehr aufschlussreich.

  • A
    Andi

    @von Illoinen

     

    Ich glaube Sie haben mich leider nicht ganz richtig verstanden. Selbstverständlich hat der Bund von den Beiträgen der Krankenversicherten die Finger zu lassen. Diese zwei Milliarden, von denen hier aber die Rede ist, sind 2010 vom Bund, also aus Steuermitteln, an die Kassen geflossen, da man dort glaubte in der Zukunft mehr Ausgaben als Beitragseinnahmen zu haben. Dieser Fall ist nicht eingetreten sondern das Gegenteil und da die Mittel noch nicht Ausgegeben wurden, stellt sich doch die Frage mit welcher Berechtigung die Kassen diese Behalten sollen.

     

    @ von Ingeborg

     

    Zunächst, Entschuldigung für die Wortwahl "erwirtschaftet".Das ist natürlich falsch. Besser wäre hier das Wort "gehaushaltet". Es hat etwas gedauert bis ich Zeit gefunden habe, aber jetzt habe ich mir den gesamten Vortrag angesehen. Im Grunde basiert die Argumentation von Herrn Teufel auf der Behauptung, dass es absolut Abwägig ist, Versicherungsfremde Leistungen aus den Rentenkassen zu bezahlen. Er geht sogar noch weiter und sagt, hiermit würden Haushaltslöcher jeglicher Art gestopft, oder noch schlimmer, sich persönlich bereichert. Besonders konkrete Bsp. was diese Leistungen sind hat er aber nicht. Nachdem, was ich darüber jetzt gefunden habe, habe ich nicht das Gefühl, es sei ungerechtfertigt, diese Leistungen aus den Rentenkassen zu bezahlen. Die Überlegung, diese Leistungen in Zukunft nicht mehr aus den Kassen zu bezahlen, ist zugegeben nicht ganz abwägig. Aber ob dies dann wirklich für mehr Gerechtigkeit sorgt, da fallen mir wieder einige Gründe ein das zu bezweifeln. Sieht man es also, wie ich als gerechtfertigt an, diese Fremdleistungen, aus den Kassen zu bezahlen, dann sind die Zuschüsse eben doch Zuschüsse. Insofern hat meine Argumentation von oben wieder Gültigkeit.

  • I
    Ingeborg

    16.03.2012 17:42 Uhr

    von aurorua:

    Exakt, nachweisbar auch hier mit der Teufeltabelle und vor allem der Vortrag als Video:

    http://www.adg-ev.de/aktivitaeten/aktionen/information-zum-aktuellen-vortrag/472-der-vortrag-als-livestream

     

    allerdings ist die gesetzliche Rentenversicherung NICHT staatlich, sondern ein Selbstverwaltungsorgan, aus der der Staat die Pfoten rauszuhalten hat, weil allein die Beiträge die GR-Versicherten einzahlen und eben nicht der Staat, vor allem nicht durch das was sich Bundeszuschuss nennt, weil es kein Zuschuss ist.

     

    Die Verantwortlichen der GKV haben keinen Überschuss (erwirtschaftet schon mal gar nicht), sondern durch Tricks und Kürzungen dafür gesorgt, dass der Finanzminister sich daraus bedienen kann, was absolut kriminell und gegen das GG ist.

  • I
    Illoinen

    @von Andi,

    wenn es Deckungslücken gibt, werden die Mitglieder zur Kasse gebeten, wenn es aber Überschüsse gibt, gehören diese dem Bund? In erster Linie gehören diese den Beitragszahler, der GKV, welche auf Grund der Beitragsbemessungsgrenzen, schon benachteiligt sind? Nach dem Motto die Überschüsse, gehören dem Bund? die Verluste den Versicherten? So wie auch schon in anderen Bereichen der Wirtschaft? Die Gewinne werden privatisiert und in Steueroasen dieser Welt verschoben und die "Verluste" sozialisiert?

  • I
    Illoinen

    @von Andi,

    wenn es Deckungslücken gibt, werden die Mitglieder zur Kasse gebeten, wenn es aber Überschüsse gibt, gehören diese dem Bund? In erster Linie gehören diese den Beitragszahler, der GKV, welche auf Grund der Beitragsbemessungsgrenzen, schon benachteiligt sind? Nach dem Motto die Überschüsse, gehören dem Bund? die Verluste den Versicherten? So wie auch schon in anderen Bereichen der Wirtschaft? Die Gewinne werden privatisiert und in Steueroasen dieser Welt verschoben und die "Verluste" sozialisiert?

  • A
    andi

    "Die Kassen pflegen den Staat, zwei Milliarden werden an den Bund fließen"

    Diese Überschrift ist extremst unneutral und gibt dem Leser schon vor, was er von der Sache zu halten hat.

    Die Kassen sollen doch eigentlich ein neutrales System sein, dass ausgeglichen haushaltet. Offensichtlich haben die Entscheidungsträger ihren Job gut gemacht. Es ist doch selbstverständlich, dass der Bund dann seine Zuschusszahlung, die offensichtlich doch nicht gebraucht wird wieder zurück bekommt.

  • OK
    Oma Kruse

    Das eigentliche Problem sind die Versicherungsfremden Leistungen: Hier zahlen einzig die abhängig Beschäftigten für Beamte und Gewerbetreibende mit. Die

    Ausgleichszahlungen dafür sind äußerst zweifelhaft und dürften kaum den tatsächlichen Aufwendungen entsprechen. So wird der Krankenkassenbeitrag zur Steuer durch die Hintertür.

  • A
    aurorua

    Wir werden doch nur noch beloghen, betrogen und bestohlen. Dasselbe geschieht mit den staatlichen Rentenkassen, auch dort werden die Beitragszahler seit Jahrzehnten regelrecht beraubt, das Ganze nennt sich dann VFL-Versicherungsfremde Leistungen.

    Wer es genau wissen will lese folgenden Artikel:

     

    http://taz.de/Rentenexperte-Otto-Teufel/!65118/

  • T
    tinlo

    Die 2 Milliarden werden den griechischen Kranken zu gute kommen. Wir Deutsche sind zur Vollsolidarität mit dem Rest der Welt verpflichtet worden, von unseren "vaterlandstreuen" Politikern.

  • S
    Schneewittchen

    in Bezug auf Schäuble: Räuber und Dieb; WER ist mehr?

    Aber so lange niemand die ReGIERung in Haftung nimmt und noch immer Menschen in die Kaufhäuser strömen und ihr politisches (Ge)Wissen abgegeben haben, so lange diebstählert Schäuble in den Kassen der Bevölkerung.

  • KH
    Keilbach Heidi

    Das ist ja unglaublich. Wo will sich unser marode Staat denn noch bedienen? Ich frage mich schon das längeren was wird noch alles eingeführt um Geld für die Oberzocker und Frühpensionäre auf dubiose Weise in die Kasse zu bekommen.

  • JK
    Juergen K.

    Dank der Spargesetze die permanent

     

    Leistungen wegSPAREN