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Zwangssterilisierung in SchwedenTranssexuelle verklagen Staat

Weil sie bei ihrer Geschlechtsumwandlung zu Unrecht sterilisiert wurden, fordern 142 Transsexuelle Geld. Die Regierung hat sich bisher noch nicht mal entschuldigt.

Stockholm: Es sieht so aus, als ob's hier allen gut geht. Das täuscht. Bild: imago / chromorange

STOCKHOLM afp | Insgesamt 142 Transsexuelle haben in Schweden eine Klage gegen den Staat wegen Zwangssterilisierung bei Geschlechtsumwandlungen in den Jahren 1972 bis 2012 eingereicht. Sie fordern pro Fall eine Entschädigung von 34.000 Euro, was gut 4,8 Millionen Euro ergibt, wie die Vorsitzende der Vereinigung für die Rechte Homosexueller, Bisexueller und Transsexueller, Ulrika Westerlund, am Montag sagte. Zudem verlangen sie eine offizielle Entschuldigung für ergangenes Unrecht.

Schweden hatte Zwangssterilisierungen bei Geschlechtsumwandlungen im Januar verboten. Zuvor hatte ein Gericht in der Hauptstadt Stockholm die jahrzehntelange Praxis als Verstoß gegen die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention gewertet.

Ein Gesetz aus dem Jahr 1972 zur sexuellen Identität hatte im Fall einer Änderung des Geschlechts die Sterilisierung der Betroffenen angeordnet. Aus Sicht des Gerichts verstieß dies gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf Unversehrtheit.

Nach offiziellen Angaben beantragten in Schweden in den Jahren 1972 bis 2011 insgesamt 865 Menschen eine Geschlechtsumwandlung. Etwa 500 Menschen unterzogen sich schließlich einer solchen Operation. Die Regierung lehnte eine Entschuldigung bisher ab.

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6 Kommentare

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  • B
    Bernd

    Es ist sicherlich tragisch für die Betroffenen, wenn Sie jetzt bemerken, einen großen Fehler gemacht zu haben. Aber es waren Operationen, zu denen sich die Betroffenen im vollen Bewußtsein der Folgen entschieden hatten.

     

    Es wird sich bei den Betroffenen eher um Transgender denn um Transsexuelle handeln. Für Transsexuelle, die sich eindeutig einem Geschlecht zugeordnet fühlen, ist die Möglichkeit der Angleichung des Körpers ein wesentliches Menschenrecht.

     

    Für Transgender dagegen, die in Deutschland nach einer einfachen Vornamensänderungen immer schon einen neuen Namen, geänderte Ausweispapiere und neue Zeugnisse bekommen konnten, sind geschlechtsangleichende Operationen ein Problem. Darum gibt es ein Deutschland zum Glück ein aufwendiges Gutachtersystem, um solche tragischen Verwechselungen zu verhindern.

     

    Diese absurde Klage wird ebenso wie die Erweiterung der Personenstandsänderung auf Menschen ohne geschlechtsangleichende Personen langfristig dazu führen, dass es keine derartigen Operationen mehr geben wird. Das wird für zukünftige Generationen von Transsexuellen ein hartes Los werden. Toll gemacht von den bunten Gruppen der Queerbewegung.

  • A
    Arwen

    Haben diese Leute eigentlich keine anderen Probleme?

    Das kann man nicht wirklich ernst nehmen.

  • T
    Tina

    Das war bis 2011 in Deutschland auch so: für die Änderung des rechtichen Personenstands war es nötig, nachzuweisen, dass mensch zeugungs-/empfängnisunfähig gemacht wurde.

     

    Der Staat hatte in Schweden und in Deutschland Angst, dass Männer Mütter und Frauen Väter werden und das sein System durcheinanderbringt.

     

    Es geht hier um die rechtliche Angleichung, nicht um die medizinische. Bei den meisten genitalen Angleichungs-OPs wird tatsächlich die Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit verloren, jedoch dürfen diese eben keine Voraussetzung für die rechtliche Angleichung (mehr) sein.

  • H
    Hans

    @Gonzi:

    Erst einmal ist der Bergiff "Geschlechtsumwandlung" nicht mehr angemessen. Es wird als geschlechtsangleichende Operation bezeichnet. Aber medizinische Maßnahmen müssen nicht zwingend geschlechtsangleichende Operationen beinhalten. Es kann sich auch z.B. um eine reine Hormontherapie handeln.

  • H
    Hans

    Kranke Sch****, bis 2012, warum hat man da vorher noch nichts drüber gehört.

    Danke an die Redaktion fürs retwittern.

  • G
    Gonzi

    Mangelnde Phantasie vielleicht, aber wie wird eine Zeugungsfähigkeit bei einer Geschlechtsumwandlung beibehalten werden können?