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Der transphobe Feddersen wieder...
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Jan Feddersen gehört zu den Schreibern, die transsexuelle Menschen wiederholt als "Umoperierte Männer" darstellen. Im März 2012 schrieb er in dem Artikel: "Transsexuell - ab wann denn?" in einem TAZ-Artikel offensiv gegen transsexuelle Menschen an und leugnete sogar ihre Existenz:
"In Berlin möchte ein kaum pubertierender Junge, der sich seit langem wie ein Mädchen fühlt, unbedingt von seinem biologischen Sein als männliches Wesen befreit werden, um durch eine Operation zu einem Mädchen, später zu einer Frau zu werden. Die Berliner Gutachter verweigern ihm, mittels hormoneller Gaben wenigstens die Pubertät, die ihn körperlich zu einem Mann auswachsen ließe, zu stoppen.
Das geht technisch-medizinisch: mit Hormonen die körperliche Reife wenigstens aufzuhalten. Die Mutter des Noch-Jungen unterstützt den Wunsch ihres Kindes. Auch Hamburger WissenschaftlerInnen haben sich mit diesem Patienten solidarisiert: Man möge diesem Noch-Kind ersparen, später sich einer transsexuellen Operation zu unterziehen, aber gewisse männliche Erscheinungen nicht mehr tilgen zu können.
Um es mit einer prominenten Person zu illustrieren, worum es geht: Dana International, die transsexuelle israelische Eurovisionsgewinnerin von 1998, ist vor ihrer Pubertät zu einer Frau umoperiert worden, sodass sie körperlich in fast nichts an einen Mann erinnert."
Jan Feddersen, der also transsexuelle Frauen für Männer hält, die man, wenn sie nur fleissig genug umoperiert seien, gar nicht mehr als Männer erkennbar sind, schreibt also erneut über Transsexualität.
Er schreibt nun im Artikel vom 25. Juni:
"Es sind 142 Menschen, die in ihrem Leben einen Geschlechtswechsel im Sinne ihrer angeborenen Biologie hinter sich haben"
Auch wenn man es noch so häufig wiederholt, wird es nicht richtiger. Es gibt keine Geschlechtsumwandlungen oder einen "Biologischen Geschlechtswechsel". Eine transsexuelle Frau ist eine Frau. Genau darum geht es auch in der Klage: Dass Frauen dazu gezwungen wurden, sich sterilisieren zu lassen um in ihrem eigenen Geschlecht anerkannt zu werden. Feddersen, der daraus einen "biologischen Geschlechtswechsel" macht, müsste demnach also glauben, dass die über 140 Schwedinnen nun eingesehen haben, dass ihre Operation ein Fehler gewesen sei und sie besser hätten Mann bleiben sollen. So in etwa wahrscheinlich...
Aber es geht in dem Artikel interessanterweise um etwas anderes: Um transsexuelle Männer, denen Feddersen unterstellt, sie hätten sich irgendwann dazu entschlossen, "nicht mehr eine Frau sein" zu wollen.
"Wer also nicht mehr eine Frau sein wollte, musste sich zugleich bereit erklären, auf Zeugungsfähigkeit zu verzichten."
Wir werten den Artikel als einen, der aus dem Verständnis eines homosexuellen Mannes geschrieben ist, und verkennt, dass genauso wenig wie homosexuelle Menschen "nicht mehr heterosexuell" sein wollen, auch transsexuelle Männer nicht den Wunsch haben "nicht mehr Frau" sein zu wollen.
Eine gute Sache, nämlich die Klage der betroffenen Männer, wird hier uminterpretiert zu einer Sache, um die es nicht ging. Die Klage selbst ist der Beweis, dass Jan Feddersen auf dem Holzweg ist, denn seiner Logik nach müsste ein "Geschlechtswechsel im Sinne ihrer angeborenen Biologie" bedeuten, dass Menschen, die sich nicht "umoperieren" lassen dann ja schlichtweg Menschen sind, die er als "Frauen" ansieht, da sie keinen Geschlechtswechsel haben durchführen lassen.
Noch einmal: Es gibt keinen Geschlechtswechsel. Menschen sind, wer sie sind. Und transsexuelle Männer werden auch dann, wenn Jan Feddersen sich das noch so sehr wünschen mag, keine Frauen sein.
Diese Menschenrechtsverletzung, wie die in Schweden "Die Bestimmung passte damals in das schwedische Verständnis vom gesunden Menschen. Sterilisationen an Behinderten oder so genannten sozial auffälligen Menschen war gesetzlich erlaubt; verhindert werden sollte, dass die Gene dieser Menschen weitergegeben werden. ..." praktiziert wurde, das haben die Schweden aus der Nazizeit 'gelernt'. Heute werden in Schweden die Behinderten mittels Präimplantations- und Pränataldiagnostik umgebracht. Es braucht also keine Kriege mehr, um Menschen umzubringen; das geht auch unter sterilen (Krankenhaus)Bedingungen.
Schweden ist für mich als Urlaubsland gestorben.
Schlimm auch,
dass das, was im Artikel als Praxis aus Schweden in den "70igern" bezeichnet wird, in Deutschland noch bis 2011 möglich war - nämlich die zwangsweise Sterilisation von Transsexuellen.
In dem Artikel wird erwähnt, wann das Gesetz eingefürht wurde, nicht aber ob und wann es abgeschafft wurde.
Jetzt gegen einen Umstand in den 70ern, dem man auch noch zugestimmt hat (!), zu klagen halte ich für Geldmacherei. Man hätte ja auch in ein Land auswandern können, in dem man als Transsexueller leben konnte ohne Sterilisation.
Die Praxis Leute dazu zu drängen, oder gar Zwangssterilisierungen durchführen zu lassen ist falsch. Das sehe ich selbst bei Triebtätern so und natürlich erst recht bei Transsexuellen / Behinderten.
Die Plastik-Bahncard gehört bald der Vergangenheit an. Probleme sind damit vorprogrammiert und Kund:innen ohne digitale Affinität bleiben außen vor.
Kommentar Transsexuelle in Schweden: Ermutigender Schritt vors Gericht
In Schweden klagen 142 Transsexuelle gegen den Staat, weil sie sich sterilisieren lassen mussten. Heute erschließt sich die Inhumanität dieser Praxis selbst Konservativen.
Was in den 70er Jahren ein bisschen schräg war, wurde im sozialdemokratischen Schweden gerade gemacht. Bild: imago / Chromorange
Die Nachricht von der Klage von Transsexuellen in Schweden gegen den Staat ist sowohl bemerkenswert als auch ermutigend. Es sind 142 Menschen, die in ihrem Leben einen Geschlechtswechsel im Sinne ihrer angeborenen Biologie hinter sich haben, waren mit einer rechtlichen Situation konfrontiert, der sie zuzustimmen hatten: Das Gesetz zur sexuellen Identität aus dem Jahre 1972 besagte, dass ein Geschlechtswechsel eine Sterilisation zur Folge haben muss.
Wer also nicht mehr eine Frau sein wollte, musste sich zugleich bereit erklären, auf Zeugungsfähigkeit zu verzichten. Die Bestimmung passte damals in das schwedische Verständnis vom gesunden Menschen. Sterilisationen an Behinderten oder so genannten sozial auffälligen Menschen war gesetzlich erlaubt; verhindert werden sollte, dass die Gene dieser Menschen weitergegeben werden.
Schweden, ganz in der (auch sozialdemokratisch inspirierten) Ideologie von der Konstruktion des perfekten Menschen befangen, hielt das für human. Dass jetzt Transsexuelle diese Praxis (auch ihrer Betroffenheit wegen) anklagen, ist bemerkenswert – und richtig.
Zwar gilt, dass nicht rückwirkend strafbewehrt verfolgt werden kann, was einst nicht Unrecht war. Doch so wie in Deutschland die Verfolgung Homosexueller mit dem bis 1969 gültigen Naziparagraphen 175 an und für sich eine Menschenrechtsverletzung war und bleibt, so war es die Sterilisation Transsexueller im Schweden der siebziger Jahre.
Ermutigend ist die Klage von 142 Menschen in Schweden, weil sie international bekannt wird – und tatsächlich dazu führen kann, dass der schwedische Staat ihnen die geforderten 34.000 Euro pro Person zahlen wird. Der inhumane Charakter des Sterilisationszwangs erschließt sich bis in konservative Milieus hinein auf Anhieb. Gut, dass immer mehr Transsexuelle (nicht nur in Schweden) politisch zum Thema machen, was ihnen in nicht einmal guter Absicht angetan wurde.
Gut überhaupt, dass sie ihren politischen (und rechtlichen) Ansprüche so leidenschaftlich und smart anzumelden wissen wie es einst Schwule und Lesben vermochten. Die souveräne Klage gegen die Sterilisationen wird, zumindest in europäischer Hinsicht, erst der Anfang sein.
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Kommentar von
Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.
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