Zwangsarbeit in Berlin: Niemand wollte sich erinnern
Mit einer Gedenktafel erinnert eine Kreuzberger Arbeitsgruppe an Zwangsarbeiter*innen in der NS-Zeit. Deren Geschichte ist noch wenig erforscht.
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„Der Autohersteller Adler“ habe „im zweiten Weltkrieg in der Alten Reithalle und in den daran anschließenden Adler-Halle“ Militärfahrzeuge instandgesetzt, ist auf der Tafel zu erfahren. „Dabei wurden Zwangsarbeiter*innen eingesetzt“, heißt es weiter, und dass sich im 1. Stock der Reithalle ein Lager befunden habe. Die Tafel hängt nun an der Stirnseite der alten Reithalle. „Wir wissen von 20 bis 30 Zwangsarbeiter*innen bei Adler, die meisten wohl aus Frankreich“, sagt Elfert. Aus den Akten gehe hervor, dass auf dem Dragoner-Areal insgesamt rund 100 Zwangsarbeiter*innen aus verschiedenen Ländern eingesetzt waren.
Neubau kann Spuren vernichten
Doch das Areal befindet sich im Umbruch: Gebäude werden abgerissen und andere neu gebaut. In der Arbeitsgruppe fürchten sie, dass „bedeutende Spuren“ aus der Zeit des Nationalsozialismus unwiederbringlich verloren gehen. „Wir wünschen uns, dass Archäologen sich die Fundamente etwa von dem alten Offizierspferdestall gut angucken“, sagt Elfert. „Es kann sein, dass auch dieser Pferdestall als Lager genutzt wurde.“ Sie vermuten außerdem dass sich hier ein Splitterschutzgraben befand – ein Unterstand, in dem Zwangsarbeiter*innen bei Bombenangriffen Schutz suchen konnten. „Möglicherweise sind dort noch persönliche Gegenstände von ihnen zu finden“, sagt Elfert.
„Wir können gar nicht alles erfassen“, sagt Roland Borchers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide. Es gäbe derzeit zahlreiche private Initiativen, die die Geschichte der Zwangsarbeit „vor der eigenen Haustür“ erforschten. Daraus seien gerade in Friedrichshain-Kreuzberg auch schon mehrere Gedenktafeln hervorgegangen. Er begrüße diese privaten Initiativen unbedingt, sagt Borchers, sie leisteten einen sehr wichtigen Beitrag.
Die schlichte Plexiglasplatte mit schwarzer Schrift solle auf lange Sicht von einer offiziellen Gedenktafel abgelöst werden, findet Elfert. Doch das sei dann die Aufgabe der offiziell dafür Beauftragten.
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