Zuschauer-Vertreiber TV-Duell: Steinmerkel gegen Merkelmeier
Von wegen Duell: Am Sonntagabend waren zwei sich weitgehend einige Spitzenkandidaten zu sehen. Ob das die Wähler zur Urne lockt? Die Zuschauer lockte man jedenfalls nicht.
BERLIN taz | Den ersten Satz muss Frank-Walter Steinmeier zu Hause vor dem Spiegel mit Gerhard Schröder geübt haben: Im Tonfall seines ehemaligen Herrn und Meisters knarzknödelt der SPD-Kanzlerkandidat seine erste Botschaft ans Volk und seine Gegnerin. Er will es, er kann es besser als sie – und ja, er kann es schaffen.
Oder tut er nur so?
Denn Steinmeiers Botschaft – soziales Deutschland, Arbeitsplätze, Gerechtigkeit – ist auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die regiert allerdings für die CDU.
Zwei gemäßigte Sozialdemokraten mit unterschiedlichem Parteibuch buhlen da mit nicht eben heißem Bemühen um den wichtigsten Posten im Staat. Beide tragen dunklen Zwirn, werden – zum Teil durchaus kritisch – befragt von der Dame Illner (ZDF) und den drei Herren der anderen großen TV-Parteien ARD, RTL und Sat.1.
Und am Ende gibt es sogar zwei Punkte, wo sich Merkelmeier mal nicht einig ist: Den Mindestlohn, Steinmeier will ihn flächendeckend, Merkel nicht. Und den Atomstrom, den will Steinmeier nicht, aber Merkel schon – auch wenn sie das hinter Worthülsen wie "Übergangsenergie" versteckt.
Ob so ein "TV-Duell" zur gezielten Wählervertreibung am 27. September beiträgt, wird sich zeigen. Zur gezielten ZuschauerInnen-Vertreibung hat es schon jetzt gereicht: Nur gut 14 Millionen Menschen wollten das von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 parallel übertragene Schauspiel sehen. Vor vier Jahren hatte der an nordkoreanische Verhältnisse gemahnende Senderverbund mit dem Duell Merkel-Schröder noch knapp 21 Millionen an die Bildschirme gefesselt.
Wie immer lagen die Öffentlich-Rechtlichen quotenmäßig vorne (Marktanteil ARD 22,7 Prozent; ZDF 10,3 Prozent), RTL rangierte abgeschlagen auf 6,1 Prozent. Und weil bei Sat.1 nicht mal 800.000 ZuschauerInnen (2,3 Prozent) gezählt wurden, fordern naseweise Medienexperten heute prompt, den Sender vom nächsten TV-Duell auszuschließen.
Anständiger und zielführender wäre es, man ließe den ganzen Duell-Quark nicht wie einen internationalen Frühschoppen von vier Journalisten aus fünf Sendern moderieren, sondern machte eine wirkliche Frage- und Antwortsendung draus. Das aber hieße: Keine Weichspül-Bedingungen der Kandidaten – und kein Proporz bei den Sendern.
So aber wurde kein Duell aus dem Abend.
Halten wir also fest: Angela Merkel wird auch weiterhin mit den Ackermännern dieser Welt auf Staatskosten zu Abend essen, zur Not auch an deren Geburtstag: "Ich würde wieder Abendessen machen, bei denen sich immer Menschen miteinander treffen, die sich füreinander interessieren", sagt Merkel und vor dem inneren Auge des Zuschauers erscheint schon eine Kittelschürze über Merkels Hosenanzug.
Und Steinmeier will bis 2013 einen Plan haben, wie man aus Afghanistan wieder rauskommt – auch wenn ihn RTL-Nachrichtenchef Peter Kloeppel hartnäckig missversteht und auf einen Abzug spätestens in vier Jahren festzunageln versucht. Doch dafür muss es am Hindukusch eben besser laufen als im Moment, versichert Steinmerkel ganz eins miteinander.
Weil das nicht sonderlich aufregend ist, müssen die FragerInnen ran: Maybritt Illner bleibt zahm und kommt aus ihrer Moderatorenrolle nicht heraus. Peter Limbourg, gern geschmähter Frontmann von Sat.1 und für den so genannten Nachrichtenkanal N24, ist überraschend gut, RTL-Kloeppel fragt souverän, doch findet sich selbst wie immer ein bisschen zu toll.
Frank Plasberg, anstelle der früher auf den Kanzler-Job abonnierten Anne Will für die ARD im Rennen, hat die persönliche Eitelkeit besser im Griff: Ob sich die SPD angesichts ihrer nicht gerade astronomischen Umfragewerte nicht lieber erstmal "in der Opposition reanimieren" wolle, fragt Plasberg, um sich dann schnell noch auf "regenerieren" zu verbessern und "das sollte keine Polemik sein" hinzufügt. "Das können wir diesem Land nicht antun", sagt Steinmeier und muss selber Lachen.
Denn SPD in der Opposition, das zeigt dieses "Duell", mag ja gerade noch angehn. Polemik ist in diesem Wahlkampf dagegen ausgeschlossen. Konsequenterweise heißt die Konstellation Schwarzgelb bei Maybritt Illner wenig später ja auch "Tigerenten-Koalition", und dann ist auch schon Zeit für's Schlusswort: "Ich will ehrlich sein: Wir sind mitten in der Krise und noch längst nicht über'n Berg", sagt die ehrliche Rothaut Steinmeier. Vertraut Mutti, sagt sinngemäß Angela Merkel.
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